Warten auf den Grenzübertritt nach Deutschland.

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Der Umsteigplatz in Passau

Foto: standard/föderl-schmid

Die Dreiländerhalle in Passau

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Dolmetscher Mansour Rastegar erklärt, wer die Grenze passieren darf.

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Stundenlanges Warten in Viererreihen.

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38 Busse kamen am Samstag aus der Steiermark an, auf der bayerischen Seite warten neue Busse.

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Bis zu 1000 Menschen suchen in dem neu errichteten Zelt Schutz vor Kälte und Regen.

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Zielland Deutschland.

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Eine Telefonzelle im Niemandsland wird zum beliebten Kommunikationsknotenpunkt.

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Vor der sogenannten Dekra-Halle im Westen Passaus stehen mehrere Busse, sie sind voll mit Flüchtlingen. Hier ist der zentrale Umschlagplatz für die weitere Verteilung in Deutschland: 4500 sind es am Vortag gewesen, die an den drei Passau zugeordneten Grenzübergangsstellen eingereist sind, am Sonntag wurde in etwa die gleiche Anzahl erwartet. Vier Sonderzüge fahren jeden Tag vom Passauer Bahnhof ab, an diesem Sonntag, dem Allerheiligentag, Richtung Düsseldorf, Bitterfeld, Meerane und Hannover.

Etwa 1.200 Flüchtlinge haben die Nacht in der zwei Fahrminuten entfernt liegenden Drei-Länder-Halle verbracht. Viele von ihnen sind über den Grenzübergang Kollerschlag/Wegscheid (Bezirk Rohrbach) eingereist, der rund 35 Kilometer von Passau entfernt ist und am Samstag den größten Andrang zu verzeichnen hatte. 38 Busse kamen dort mit rund 2000 Flüchtlingen an.

Geduldiges Warten in Kollerschlag

Etwa 200 stehen in Viererreihen unmittelbar am Grenzübergang Kollerschlag/Wegscheid und warten geduldig, das Schild "Deutschland" unmittelbar vor Augen.

Video-Reportage aus Kollerschlag: Was der Bürgermeister und die Einwohner zur Flüchtlingssituation sagen.
Sarah Brugner, Michael Luger

"Was wird wohl in den Menschen vorgehen, so knapp vor ihrem Ziel", fragt eine Frau aus der Gegend, die die Szenerie beobachtet. Immer wieder kommen Mühlviertler vorbei und deponieren Schlafsäcke, Decken oder Winterkleidung.

Als nach fast einer Stunde auf der bayerischen Seite des Grenzübergangs zwischen Kollerschlag und Wegscheid ein Bus vorfährt, kommt Bewegung in die Menge. Mansour Rastegar ruft einige Anweisungen in ein Megafon. Der 48-Jährige Pädagoge spricht Farsi und Dari und ist vor 33 Jahren nach Österreich und vor 23 Jahren in den Bezirk Rohrbach gekommen.

Nur Zählung, keine Personalienaufnahme

Die Menschen in der ersten Reihe marschieren los, Richtung Bus, vorbei an dem Schild Deutschland – ihr Zielland. "Abgezählt wird, aber Personalien werden erst später aufgenommen", sagt Thomas Schweikl, Sprecher der deutschen Bundespolizei. Diejenigen, die jetzt in den Bus einsteigen, kommen nur einige Kilometer weit. In Wegscheid wurde eine Halle neu hergerichtet, von dort geht es weiter.

Flüchtlinge, die den Grenzübergang zwischen Niederbayern und Oberösterreich an diesem Tag passiert haben, wurden bereits mit Sonderbussen und -zügen nach Hannover und Saalfeld gebracht, andere müssen noch in der Dreiländerhalle in Passau übernachten. Am Freitag hat man sich zwischen Berlin, Wien und München auf fünf Grenzübergänge geeinigt, wo Flüchtlinge die Landesgrenze passieren dürfen. Kollerschlag/Wegscheid ist einer davon. Mehr als 1500 Flüchtlinge haben am Samstag bereits diese Grenze überschritten, rund 500 werden es noch werden. "Also rund 2000 werden an diesem Tag insgesamt sein", schätzt Schweikl.

"Das kann hinkommen, denn sehr viele Busse werden nicht mehr erwartet", meint Bezirkskommandant Herbert Kirschner. 38 wurden an diesem Tag gezählt, für Sonntag sind bis 14 Uhr neun Busse angekündigt. Weil die Straße Richtung Grenze sehr schmal ist, wird der restliche Verkehr mitten im Ort Kollerschlag umgeleitet, der rund zwei Kilometer entfernt liegt. An die Masse von Bussen mit steirischen Kennzeichen hat man sich in den vergangenen Wochen gewöhnt.

50 Flüchtlinge pro Stunde pro Übergang

Und wie ist es mit der Beschränkung auf 50 Flüchtlinge pro Stunde und Übergang, auf die sich die Wiener und Berliner Regierung unter Einbindung Bayerns am Freitag verständigt habe, wie genau werde das eingehalten? "Na ja, Sie sehen ja, was hier los ist", meint der Sprecher der Bundespolizei.

Es hängt wohl eher von den Bussen ab, die an- und abfahren, als vor den Vorgaben der Regierenden weit weg. Und vor Ort habe die Kommunikation auch immer gut funktioniert, versichern sowohl die bayerischen als auch die österreichischen Einsatzkräfte. Weiter oben, da habe es in der vergangenen Woche ordentlich gekracht, aber hier komme man schon zusammen.

Heinrich Onstein, Sprecher der Polizei für den Bereich Passau, bestätigt: "Die Absprache mit den österreichischen Kollegen läuft gut." Auf der operativen Ebene habe es ohnehin nicht die Probleme gegeben, eher auf der politischen, meint er. Hilfreich wäre es, wenn die Busse aus Österreich die Flüchtlinge direkt zu Sammelstellen nach Deutschland bringen dürften. "Aber dazu müsste die Politik die gesetzlichen Bestimmungen ändern." Sonst ist es Schlepperei.

Lageeinschätzung am Morgen

Am Grenzübergang Kollerschlag/Wegscheid schimpft allerdings ein bayerischer Polizist laut über die Österreicher, die wieder mehr Flüchtlinge schickten als angekündigt. Am Morgen erfahre er immer, wie viele Busse aus dem Süden Österreichs zu erwarten seien, erklärt der Bezirkskommandant. Auch die ungefähren Ankunftszeiten wisse man. Diese Angaben würden umgehend an die deutschen Kollegen weitergegeben, damit man sich auf das Kommende vorbereiten könne.

Zehn Beamte sind zumeist auf österreichischer Seite im Einsatz, ebenso viele auf der deutschen. Die Polizeiautos dienen als Barriere. Um die Versorgung kümmert sich das Rote Kreuz mit vielen Dutzend freiwilligen Helfern aus der Region. Es werden Kleidung und Essen verteilt.

Schutz im Zelt statt Lagerfeuer

Seit Freitag gibt es ein riesiges Zelt, das insbesondere bei Einbruch der Dunkelheit Schutz vor der Kälte bietet. Bilder, dass Flüchtlinge mit Holz aus dem nahe gelegenen Wäldchen ein Lagerfeuer anzünden, um sich wärmen zu können, sollen damit der Vergangenheit angehören. Das Zelt ist beheizbar und hat einen Holzboden.

Wie lange das noch so weitergehen wird? "Ich weiß es nicht, wir sind auf jeden Fall gut vorbereitet", meint Bezirkskommandant Kirschner. Und ein bisschen stolz sei er schon. Nach dem Zweiten Weltkrieg seien hier Flüchtlinge wie Sudetendeutsche aus dem nahen Böhmen angekommen, 1989 sei der Eiserne Vorhang in diesem Grenzbezirk gefallen und nun jetzt werde hier wieder "Weltgeschichte geschrieben". (Text: Alexandra Föderl-Schmid, Video: Sarah Brugner & Michael Luger, 1.11.2015)