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Viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gehen laut Umfrageergebnissen krank ins Büro. Das Phänomen nennt sich Präsentismus.

Foto: dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Nach Einschätzung eines deutschen Arbeitspsychologen gehen mehr Menschen krank ins Büro, als sich völlig ohne Grund krankmelden. "Es wird sicherlich Leute geben, die auch einmal blau machen", sagt Professor Conny Antoni von der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs). Umfragen deuteten aber darauf hin, dass es verbreiteter sei, trotz Unwohlseins arbeiten zu gehen.

Angst um Arbeitsplatz

In einer Untersuchung von 2012, dem sogenannten Stressreport, hätten 36 Prozent angegeben, sie seien im zurückliegenden Jahr zur Arbeit gegangen, obwohl sie krank gewesen seien. Daten auf europäischer Ebene hätten ähnliche Werte ergeben, sagt Antoni. Auch eine Umfrage im Auftrag der Krankenkasse DAK hat das Phänomen untersucht. Den Ergebnissen zufolge kuriert sich vor allem die durch Karriere und Familie belastete "Rushhour"-Generation zwischen 30 und 40 Jahren nicht aus.

Das Thema sei in den vergangenen Jahren stärker in den Fokus gerückt, erklärt Antoni, der auch an der Universität Trier unterrichtet. Ob man trotz Krankheit im Büro erscheine, hänge auch davon ab, ob man um seinen Arbeitsplatz fürchte. Menschen gingen eher krank ins Büro, wenn sich die wirtschaftliche Situation des Unternehmens verschlechtere oder wenn sie ihr Verhältnis zum Chef und zum Team noch nicht sicher einschätzen könnten.

Auch Schwänzen mit Ausrede

Erst kürzlich untersuchte das Institut Yougov, wie häufig Arbeitnehmer ihrem Chef eine Krankheit vorgaukeln. Das Institut fragte, was Menschen in den vergangenen zwölf Monaten getan haben, um nicht zur Arbeit gehen zu müssen. Sechs Prozent gaben an, sie hätten gesagt, sie seien krank, obwohl sie in Wahrheit gesund waren. Ebenfalls sechs Prozent sagten, sie hätten eine Krankheit schlimmer dargestellt, als sie tatsächlich gewesen sei. Eine andere Entschuldigung fanden vier Prozent der Befragten. 58 Prozent gaben an, nichts davon getan zu haben, um zu schwänzen.

Die Umfrage ist nach Angaben von Yougov repräsentativ für die deutsche Bevölkerung. Dass man blau mache, sei wahrscheinlich auch etwas, das man nicht so gerne zugebe, sagt Psychologe Antoni.

Präsentismus

Betrachte man aber das Gros an Studienergebnissen, sagt Antoni, würde sich das Bild ergeben, dass es mehr Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen gibt, die krank ins Büro gehen. Der Fachbegriff dafür sei Präsentismus: "Man ist anwesend, geht zur Arbeit, obwohl man sich krank fühlt." (red, lib, 2.11.2015)