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Weltrekord mit Knalleffekt: Diese Menschenmenge in Berlin brachte vor einem Jahr insgesamt 498 Ballons in einer Minute zur Explosion.

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Zwei Explosionsarten: Bei wenig Druck wie oben bildet sich nur ein Riss, unter Hochdruck (unten) entstehen komplexe Rissmuster.

Foto: Sébastien Moulinet

Paris/Wien – Im Labor von Sébastien Moulinet und Mokhtar Adda-Bedia an der Universität Paris Diderot dürfte es einige Zeitlang recht lustig und auch recht laut zugegangen sein. Die beiden Physiker wollten nämlich das Geheimnis lösen, wie Luftballons wirklich zerplatzen – und von welchen Faktoren das Explosionsverhalten abhängt.

Angeregt wurde Moulinet durch Fotos eines platzenden Ballons, die mit einer Hochgeschwindigkeitskamera aufgenommen worden waren. Sie zeigten nicht nur einen Riss in der Ballonhaut, sondern ein regelmäßiges Muster an Rissen. Doch warum reißen die meisten Luftballons nur an einer Stelle, sodass meist ein Gummifetzen bleibt?

Die beiden Forscher gingen diesem Rätsel mittels Experimenten auf den Grund. Und die Ergebnisse waren interessant genug, dass sie im renommierten Fachmagazin "Physical Review Letters" veröffentlicht wurden – nicht zuletzt wohl auch deshalb, weil die neuen Erkenntnisse der Materialforschung helfen könnten, Reißprozesse anderer Materialien besser zu verstehen.

Ihre Versuchsanordnung sah vor, dass eine dünne Gummimembran über ein Gasventil gespannt und von diesem aufgeblasen wird. Über dem sich aufblähenden Luftballon wurde eine scharfe Klinge befestigt – und zwar in verschiedenen Abständen. Damit konnten die Forscher überprüfen, wie der Ballon unter unterschiedlichen Druckverhältnissen platze – jeweils aufgenommen von einer Hochgeschwindigkeitskamera mit bis zu 60.000 Bildern pro Sekunde.

Video: Luftballons können auf zwei Arten platzen.
Sébastien Moulinet

Das erstaunliche Resultat bei den Forschungen mit Knalleffekt: Luftballons platzen ausschließlich auf zwei Arten: Entweder wird die Gummihaut nur durch einen großen Riss zerstört, was zu einem Fetzen führt, der übrig bleibt. Oder der ursprüngliche Riss verzweigt sich mit einer Geschwindigkeit von rund 570 Metern pro Sekunde in weitere, meist regelmäßige Risse. Übrig bleibt eine Ballonleiche in Form vieler kleiner Fetzen.

Welche Alternative das Ende des Luftballons besiegelt, schien auf den ersten Blick vom Luftdruck innerhalb der Hülle abzuhängen: Bei geringem Druck bildet sich nur ein großer Riss. Bei einem voll aufgeblasenen Ballon mit entsprechend straff gespannter Gummihaut hingegen breitet sich der einzelne Riss nicht schnell genug aus, um die Spannungen abzubauen: Er ist instabil und beginnt sich baumartig zu verzweigen.

Weitere Experimente zeigten dann freilich, dass es nicht der Druck im Inneren des Ballons ist, sondern die Spannung der Gummihaut. Dementsprechend kommt es auch auf die Dicke der Gummihaut und die Biegung des Materials an, ob das Reißverhalten komplex wird oder nicht. (Klaus Taschwer, 3.11.2015)