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Die Absturzstelle.

Foto: AFP PHOTO / RUSSIA'S EMERGENCY MINISTRY

Der britische Verkehrsminister Patrick McLoughlin über die Reisewarnung für den Sinai. Noch sei zwar nicht klar zu sagen, was das Flugzeug zum Absturz gebracht habe, aber ein Sprengkörper sei nicht auszuschließen.

The Telegraph

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Der britische Außenminister Philip Hammond will nicht ausschließen, dass die Terrororganisation "Islamischer Staat" für den Absturz der russischen Passagiermaschine in Ägypten verantwortlich ist.

Foto: AFP PHOTO / MOHAMMED AL-SHAIKH

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Der Flugschreiber, der in Ägypten untersucht wird, soll mehr Aufschluss über die tatsächliche Absturzursache geben.

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  • Großbritannien will nicht ausschließen, dass eine Bombe Schuld am Absturz des russischen Fliegers war.
  • Seit gestern Abend gilt eine Reisewarnung der Briten und der Iren für Reisen nach Sharm el-Sheik. Derzeit sitzen 9.000 Briten in der Urlaubsregion fest.
  • Am Donnerstag hat Österreich eine partielle Reisewarnung für Ägypten ausgesprochen
  • Derzeit fliegen keine österreichischen Linien nach Sharm el Sheikh
  • Die Aussagen der USA bleiben vage: Sie legen sich nicht fest, was den Absturz verursacht haben könnte.
  • In Ägypten beginnt die Analyse des Flugschreibers.

London/Kairo – Nach dem Absturz einer russischen Passagiermaschine in Ägypten verdichten sich die Hinweise, dass eine Bombe an Bord die Flugzeugkatastrophe ausgelöst haben könnte. Ein Sprengkörper sei eine "signifikante Möglichkeit" als Ursache, sagte Großbritanniens Außenminister Philip Hammond am Mittwochabend in London.

Es seien verschiedene Quellen ausgewertet worden, bevor die Regierung zu dem Schluss gekommen sei. "Wir können nicht sicher sein, dass das russische Passagierflugzeug von einer terroristischen Bombe zum Absturz gebracht wurde", sagte Premierminister David Cameron am Donnerstag in London, "aber es sieht mit zunehmender Wahrscheinlichkeit aus, als sei das der Fall gewesen." Ein Anschlag sei wahrscheinlicher, als dass es keiner war, fügte er hinzu. Er werde mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin über die Lage nach dem Flugzeugabsturz über dem Sinai am Telefon sprechen, so Cameron: "Ich werde natürlich all das mit Präsident Putin besprechen und ihm erklären, warum wir so handeln, wie wir handeln."

Nach dem Start in Sharm el-Sheikh war am Samstag der Airbus A321 der sibirischen Firma Kolavia über der Sinai-Halbinsel abgestürzt. 224 Menschen kamen ums Leben. Die Unglücksursache war bisher unklar. Es ist das schwerste Unglück in der Geschichte der russischen Luftfahrt. Das Ziel der Maschine war St. Petersburg.

Großbritannien spricht Reisewarnung aus

Hammond warnte vor Flugreisen nach oder über Sharm el-Sheikh. Es werde von allen Reisen an den Flughafen am Roten Meer abgeraten, die nicht notwendig seien, und in Absprache mit den Fluggesellschaften Easyjet, Thomson Airways, Thomas Cook und British Airways würden vorerst keine Flüge von Großbritannien nach Sharm el-Sheikh starten. Nach Angaben des britischen Verbands der Reiseanbieter sitzen deshalb mindestens 9.000 Briten in der ägyptischen Urlaubsregion fest. "Aber es wird auch eine Anzahl Urlauber geben, die unabhängig gereist sind", heißt es in der Mitteilung des Verbandes Abta in der Nacht auf Donnerstag.

Auch Irland ließ vorerst keine Flugzeuge mehr von und nach Sharm el-Sheikh fliegen, niederländische Fluglinien setzten Flüge in den Ferienort vorerst bis Sonntag aus. Das wurde bei einem Treffen des niederländischen Anti-Terror-Koordinators mit Vertretern der Gesellschaften und der Nachrichtendienste beschlossen.

Ägyptens Außenminister Samih Shoukri hatte bereits die britische Entscheidung, Flüge für Mittwochabend zu stoppen, "vorzeitig und ungerechtfertigt" genannt. Er sei sehr enttäuscht, sagte er der BBC. Auf die Frage, ob er einen Terroranschlag für möglich halte, sagte er dem US-Sender CNN, dass das die Untersuchung klären müsse. Vorschnelle Urteile oder Maßnahmen könnten negative Auswirkungen auf eine große Zahl von Ägyptern haben, die von der Tourismusindustrie lebten.

Österreich evaluiert Situation

Die österreichische Botschaft in Kairo evaluiert stündlich die Situation, sagte Thomas Schnöll, Sprecher des Außenministeriums. Für Ägypten bestehen bereits partielle Reisewarnungen: Vor Reisen in den Nord-Sinai und in das Sahara-Gebiet wird ausdrücklich gewarnt. Für den Süd-Sinai, für den Badeort Sharm el Sheikh und Umgebung, besteht ein erhöhtes Sicherheitsrisiko. Schnöll empfahl, auf der Webseite des Außenministeriums eine Reiseregistrierung vorzunehmen. Das Ministerium weiß dadurch, wer in Krisengebiete fliegt.

Derzeit fliegen keine österreichischen Linien nach Sharm el Sheikh. Die Austrian Airlines hätten die Destination im März 2014 aus wirtschaftlichen Gründen aus dem Angebot genommen, sagte ein Sprecher der AUA.

Verantwortung von "IS" von Experten bezweifelt

Unmittelbar nach dem Absturz hatte ein Ableger der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) behauptet, dafür verantwortlich zu sein. Experten bezweifelten den Wahrheitsgehalt des Bekenntnisses. Die Behörden in Russland und Ägypten bezeichneten einen Anschlag als unwahrscheinlich, und die russische Regierung hat Mutmaßungen über einen Bombenanschlag als "Spekulation" zurückgewiesen. Die Agentur Interfax wiederum berichtete über ungewöhnliche Geräusche, die kurz vor dem Absturz von der Black Box aufgezeichnet worden seien.

US-Geheimdienste bleiben vage

Einem CNN-Bericht zufolge schließen die US-Geheimdienste einen Anschlag nicht aus. "Es gibt ein eindeutiges Gefühl, dass es ein Sprengkörper war, der im Gepäck oder anderswo im Flugzeug versteckt wurde", zitierte der Sender einen namentlich nicht genannten Vertreter der US-Regierung. Es gebe aber keine belastbaren oder bestätigten Geheimdienstberichte für eine spezifische Bedrohung vor dem Absturz. Die US-Geheimdienste seien noch zu keinem Ergebnis gekommen.

Nach Angaben von europäischen und amerikanischen Sicherheitsexperten ist die Extremistengruppe "Islamischer Staat" wahrscheinlich für den Absturz der russischen Passagiermaschine in Ägypten verantwortlich. Aus Sicherheitskreisen verlautete am Mittwoch, man gehe davon aus, dass der IS eine Bombe an Bord der Maschine geschmuggelt habe.

Die US-Regierung vermied es unterdessen, diese Vermutung öffentlich zu nähren. "Es wäre zum jetzigen Zeitpunkt nicht hilfreich, unsere eigenen Ansichten oder Meinungen in die Ermittlungen einfließen zu lassen", sagte Außenamtssprecher John Kirby am Mittwoch. Mitarbeitern der Regierung würde von Reisen in den Sinai aus Sicherheitsgründen zwar abgeraten. Diese Empfehlung beruhe aber auf keinen neuen Informationen, sondern auf bereits bekannten Bedrohungen.

Analyse des Flugschreibers beginnt

In Ägypten beginnt jetzt die Analyse der Flugschreiberdaten. Wie das Ministerium für zivile Luftfahrt am Mittwoch mitteilte, konnten die Informationen vom Datenrekorder sichergestellt werden. Der Stimmenrekorder, der Tonaufnahmen der Gespräche von Pilot und Kopilot sowie weitere Geräusche im Cockpit speichert, sei jedoch zum Teil beschädigt, hieß es. Hier müsse noch einiges getan werden, bevor die Daten extrahiert werden könnten. Bergungsteams weiteten die Suche am Unglücksort deutlich aus.

Die Bergungsmannschaften würden nun auf der Sinai-Halbinsel auf 40 Quadratkilometern nach Hinweisen für die Ursache der Katastrophe sowie nach weiteren sterblichen Überresten der Opfer suchen, sagte Russlands Zivilschutzchef Wladimir Putschkow. Zur besseren Übersicht des Trümmerfelds werden auch Drohnen eingesetzt. "Wir suchen Zentimeter für Zentimeter ab", meinte Putschkow. Bisher hatten die Teams auf einem Gebiet von 30 Quadratkilometern gesucht.

Die Arbeiten an dem Wrack sind auch wegen Extremisten auf der Halbinsel extrem riskant. Bei einem Selbstmordanschlag auf dem Sinai kamen am Mittwoch mindestens vier Menschen ums Leben. Die Autobombe galt einem Club für Polizeibeamte westlich der Stadt Al-Arish im Norden der Unruheregion. Die IS-Miliz bekannte sich in einer zunächst nicht verifizierbaren Twitter-Stellungnahme auch zu diesem Attentat.

Weite Teile des Nordsinai sind militärisches Sperrgebiet. Es gibt immer wieder Anschläge auf Sicherheitskräfte und Kämpfe mit Toten auf beiden Seiten.

Die Extremisten bekräftigten am Mittwoch in einer Audionotiz im Namen des IS-Ablegers auf dem Sinai ihre Behauptung, den Absturz verursacht zu haben. Gegebenenfalls werde man irgendwann nähere Informationen dazu veröffentlichen, hieß es. Die Stellungnahme konnte zunächst nicht unabhängig verifiziert werden. (APA, Reuters, 5.11.2015)