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Wütende Demonstranten in Rumänien.

Foto: AP Photo/Vadim Ghirda

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Die Wut der Protestierenden richtet sich gegen die Korruption im Land.

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Bukarest – Auch nach dem Rücktritt von Premier Victor Ponta sind am Mittwochabend in Rumänien erneut Zehntausende Menschen auf die Straße gegangen. Insgesamt 60.000 demonstrierten am Abend in zahlreichen Städten gegen Korruption, es waren die mit Abstand größten Straßenproteste der vergangenen Jahre. Die Protestierenden forderten "ein neues System mit neuen Leuten".

In der rumänischen Hauptstadt Bukarest protestierten bis zu 35.000 Menschen auf mehreren Plätzen der Stadt. Auch in Sibiu/Hermannstadt, Cluj/Klausenburg, Timisoara/Temeswar, Brasov/Kronstadt, Craiova, Arad, Ploiesti, Iasi/Iassy und weiteren Städten fanden Kundgebungen statt. Eine Großdemonstration mit 25.000 Teilnehmern am Dienstagabend hatte den Rücktritt der Regierung sowie des zuständigen Bezirksbürgermeisters Cristian Piedone Popescu bewirkt. Die Demonstranten hatten den Politikern und dem korrupten System, die Schuld für den verheerenden Brand in einer Bukarester Disco mit 32 Todesopfern vorgeworfen. "Korruption kostet Menschenleben" skandierten sie.

"Alle Parteien dieselbe Misere"

Auch nach dem Rücktritt Pontas am Mittwoch beruhigte sich die Lage nicht. Die Protestierenden forderten am Abend ein von Korruption befreites politisches System mit neuen Leuten. "Ihr kauft uns nicht mit zwei Rücktritten", riefen die empörten Menschen. Da aus ihrer Sicht "alle Parteien dieselbe Misere" vertreten, forderten die Demonstranten die Einsetzung einer Technokratenregierung ohne parteipolitische Verankerung. Unter anderem wird ein neues, von 580 auf 300 Mitglieder verringertes Parlament gefordert. Dies entspricht dem Ergebnis einer Volksbefragung aus dem Jahr 2009, das keine der nachfolgenden Regierungen umsetzte.

Mit den Straßenprotesten steigt auch der Druck auf Präsident Klaus Johannis (Iohannis), der am heutigen Donnerstag Verhandlungen mit den Parteien zur Bildung einer neuen Regierung beginnt: "Johannis, vergiss nicht, Rumänien gehört nicht dir!" skandierten Protestierende am Mittwochabend.

Bisheriger Bildungsminister Campeanu wird Interimspremier

Am Donnerstag hat Johannis den bisherigen sozialdemokratischen Bildungsminister Sorin Campeanu (PSD) zum interimistischen Ministerpräsidenten ernannt. Der bisherige sozialdemokratische Regierungschef Victor Ponta war am Mittwoch zurückgetreten.

Campeanu war seit 2014 Bildungsminister und ist außerdem Rektor der Bukarester Universität für Bodenkultur und Veterinärmedizin sowie Vorsitzender des Nationalen Rektorenrates. Als kontrovers galt seine Rolle als Generalsekretär des Nationalrates zur Anerkennung akademischer Titel, Diplome und Zertifikate (CNATDCU). Campeanu war eines der rund 20 Mitglieder, die 2012 vom damaligen Bildungsminister Liviu Pop zusätzlich eingesetzt wurden, als es um das mögliche Plagiat des damaligen Premiers Victor Ponta ging. Ponta verzichtete Anfang des Jahres nach dreijähriger Kontroverse schließlich freiwillig auf seinen Doktortitel.

Mit Campeanus Ernennung stellte sich Johannis gegen den Wunsch von Pontas PSD, die den bisherigen Verteidigungsminister Mircea Dusa (PSD) als Übergangsregierungschef vorgeschlagen hatte. Johannis erklärte angesichts der massiven Proteste, von nun an auch die Stimme "der Zivilgesellschaft" bei Entscheidungen berücksichtigen zu wollen. (APA, 5.11.2015)