Brigitte Ederer referierte in Wien über Führungs-positionen in Wirtschaft und Politik. "In der Wirtschaft muss im Gegensatz zur Politik die Sonne auf einen scheinen", sagt sie. "Wenn Sie Vorstandsvorsitzende von Siemens sind, vertreten Sie schließlich das Unternehmen."

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Politik sei das "Spannendste, was man tun kann", aber zugleich das Kränkendste. Auch an ihr habe der Beruf "Narben hinterlassen". Das will Brigitte Ederer, die eine steile Karriere in Privatwirtschaft und Politik hinter sich hat, ihr Auditorium wissen lassen.

Um von Herausforderungen von Frauen in Spitzenpositionen – in der Wirtschaft und in der Politik – zu erzählen, lud sie der Alumnae-Club Zukunft.Frauen in den Exportfonds in der Wiener Strauchgasse.

Ederer, zunächst Europa-Staatssekretärin unter Exbundeskanzler Franz Vranitzky, dann SPÖ-Bundesgeschäftsführerin und später Finanz- und Wirtschaftsstadträtin in Wien, war nach ihrem Ausscheiden aus der Politik mehrere Jahre Vorstandvorsitzende von Siemens Österreich. Aktuell sitzt sie in diversen Aufsichtsräten, darunter bei Infineon, der Wien-Holding und der ÖBB. Das Kränkendste in ihrer Karriere sei wohl gewesen, dass man sie den EU-Vertrag, den sie für Österreich mit ausverhandelt hatte, nicht hat unterschreiben lassen, sagt Ederer.

Arbeitsaufwand gleich hoch

Von Moderatorin Petra Stuiber (DER STANDARD) auf die Parallelen zwischen Politik und Wirtschaft angesprochen, fällt ihr als erste ein: der Arbeitsaufwand. "Ein Vorstandsmitglied eines internationalen Konzerns verlässt sein Büro so spät wie eine Führungskraft ähnlichen Ranges in der Politik." Einzig die Wochenenden könnten sich Menschen in Führungspositionen in der Privatwirtschaft öfter freischaufeln. "Das politische Leben fängt am Wochenende erst an, in der Wirtschaft gibt's von 52 vielleicht fünf, an denen man Termine hat."

Auch der Führungsstil sei vergleichbar. In der Politik wie in der Wirtschaft müsse man es verstehen, "die Leute bei Laune zu halten." Die Zuhörerinnenschaft raunt. "Das bedeutet, Stakeholder dahin mitzunehmen, wo Sie sie hinhaben wollen", führt Ederer aus, "also wie eine Herdenhündin immer zu schauen, dass sich die Herde in die richtige Richtung bewegt." Das heiße: kommunizieren, erklären, motivieren und "möglichst allen das Gefühl geben, dass sie bei einer Entscheidung mit dabei gewesen sind."

Einsam an der Spitze

Gemein hätten die beiden Sektoren auch, dass Menschen an der Spitze dort relativ einsam seien. "Niemand wird Ihnen ehrliche Rückmeldungen geben." Nettigkeiten seien meist eher der Funktion geschuldet als der Person – "wenn jemand einem die Hand küsst oder die Straßenseite wechselt, nur weil man eine Position hat oder nicht mehr hat". Sie habe das am eigenen Leibe erlebt, sagt Ederer. Ihr guter Rat: "Sie müssen lernen, sich selbst einzuschätzen."

Und was ist nun unterschiedlich? "Das Sozialprestige". Bei Politikern und Politikerinnen sei es deutlich schlechter – für sie auch ein Grund, aus der Politik auszusteigen. In ihrer Zeit als Stadträtin hätten sie ununterbrochen Leute gefragt, warum die Straßenbahn nicht fährt, sagt Ederer, zeigt aber Verständnis: "Sie ärgern sich jeden Tag, dass die Straßenbahn nicht kommt – und dann steht plötzlich das Objekt vor ihnen."

Anders als in der Wirtschaft, in der Kunden Könige seien – "auch wenn ich mir das im Vorhinein nicht gedacht hätte" – könnten Politiker irgendwann – "zumindest bei mir war einmal der Punkt erreicht" – zu sich selbst sagen: "Na gut, dann wählen sie mich eben nicht."

Ähnliche Denkmuster

Beinahe das täglich Brot von Konzernchefs: Stellen abzubauen. "Das war für mich das Belastendste." Politiker müssten niemanden abbauen – sie würden nur abgebaut werden. Ederer: "Im Grunde genommen können Sie nie wissen, ob Sie Ihre Position am Abend noch haben."

Gefragt, ob Männer in der Wirtschaft mit Frauen anders umgehen würden als jene in der Politik, sagt Ederer: "Ich glaube, die Denkmuster sind ähnlich: das Streben nach Machterhalt, wenig Veränderungswillen."

Ob sie Strategien entwickelt hat, um Kränkungen zu überwinden? "Ich hab' jahrelang einen Plan B gehabt, der hat mir eine innere Freiheit gegeben." Das Credo sei nicht zu viel Verbissenheit. Tatsache, so Ederer: Sie habe keine ihrer Positionen jemals angestrebt. Und die Einzige, die sie gerne gehabt hätte, habe sie nicht bekommen. "Ich glaube, ich war einfach zu verbissen."

Immer ein Preis

Man sollte also für alles offen sein, keine fixen Pläne haben? "Klar, man sollte immer etwas erreichen wollen", räumt Ederer ein. Aber wenn man es nicht erreicht, auch nicht in die totale Depression verfallen und sich klarmachen: Wenn man eine Führungsposition hat, zahlt man auch einen Preis."

Bei ihr sei dieser Preis Kinderlosigkeit gewesen. "Nicht wegen der Kinder, sondern weil ich keine Enkelkinder hab'." (Lisa Breit, 7.11.2015)