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Das Risiko für Typ-2-Diabetes senken: Auf den Lebensstil kommt es an.

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Wien – Wer heute von seinem Arzt die Diagnose Diabetes erhält, hat ein erhöhtes Risiko, früher zu sterben. Dabei gibt es längst funktionierende Therapien und Medikamente. Mit dem Management-Programm "Therapie aktiv" existiert seit acht Jahren ein evaluiertes Werkzeug, das die Basis für eine bessere Lebensqualität und eine längere Lebensdauer bieten soll.

Das Problem: nur etwa 1.200 praktische Ärzte beteiligen sich österreichweit daran, und lediglich 20 Prozent der betroffenen Patienten – aktuell rund 46.000 – nutzen das Angebot. Im Burgenland bedeutet das neun Allgemeinmediziner und 399 Patienten. Damit werden dort nur rund drei Prozent der Diabetikerinnen und Diabetiker erreicht. Eine häufig vorgebrachte Kritik der Ärzte: der hohe bürokratische Aufwand.

Die Anrufe in der Zentrale von Diabetes Austria lauten regelmäßig: "Ich bin seit kurzem Diabetiker und suche einen Arzt, der sich mit dieser Erkrankung gut auskennt". Die Mitarbeiter verweisen dann gerne auf therapie-aktiv.at, wo alle am Programm teilnehmenden Ärzte gelistet sind. Wenig später der nächste Anruf: "Leider nimmt dieser Arzt keine neuen Diabetespatienten auf. Wissen Sie jemand anderen?" Viele Patienten resignieren letztendlich und lassen sich vom Hausarzt orale Antidiabetika verschreiben. Das war es dann.

Sterblichkeit senken

Doch die Zuckerkrankheit ist tückisch, tut lange nicht weh und tritt häufig, vor allem beim Typ 2, in Kombination mit Bluthochdruck und Übergewicht auf. Eine medikamentöse Behandlung und vor allem eine deutliche Veränderung des Lebensstils sind in diesen Fällen gefragt. Die Schulung der Patienten ist daher verpflichtender Bestandteil von "Therapie aktiv".

In einer retrospektiven Studie mit einer Beobachtungszeit von rund vier Jahren wurde von der Med-Uni Graz untersucht, ob die Versorgung von Diabetikern durch die Teilnahme am Programm verbessert und Spätfolgen sowie Komplikationen verringert werden konnten. Die wichtigsten Ergebnisse: Im Programm betreute Diabetiker schneiden bei sämtlichen Zielgrößen besser ab als nichtteilnehmende Diabetiker.

So verbrachten etwa die teilnehmende Patienten durchschnittlich 2,3 Tage weniger im Spital, und Schlaganfälle oder Herzinfarkte traten um rund zehn Prozent weniger häufiger auf. "Mit 'Therapie aktiv' konnte nicht nur die Sterblichkeit um 35 Prozent gesenkt werden, auch die Gesamtkosten für die Patienten sind um ein Viertel niedriger als in der Kontrollgruppe", ergänzt Josef Probst, Generaldirektor im Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger.

"Therapie aktiv" ist im Prinzip eine Vereinbarung mit dem Arzt, in der sich die Patientinnen und Patienten auf das Erreichen bestimmter Ziele, etwa einer Gewichtsreduktion, verbesserter Blutzuckerwerte oder auch eines veränderten Lebensstils in Sachen Bewegung und Ernährung einigen. Wer die angestrebten Ziele nicht erreicht, wird aber nicht bestraft. Im Gegenteil, die Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft belohnt die Teilnahme am Programm mit der Halbierung des Selbstbehalts.

Überzeugungsarbeit leisten

Neben der Vereinbarung muss der Arzt verschiedene Untersuchungen durchführen oder anordnen. Dazu zählen die Messung der Blutwerte, aber auch Augenuntersuchungen wegen des gefürchteten Makulaödems und die Prüfung der Nervenfunktionen. Mit einer mehrstündigen Schulung des Patienten ist das Programm abgeschlossen.

Mediziner wie der Internist Günter Sokol, der in Wien die größte "Therapie aktiv"-Praxis betreibt, fragt angesichts der steigenden Diabetikerzahlen auch bei Menschen mit Migrantenhintergrund: "Wann werden Schulungen in Sprachen wie Türkisch oder Serbisch angeboten?" So zeigte eine Studie, die der Stoffwechsel- und Diabetesspezialist Bernhard Ludvik an der Med-Uni Wien durchgeführt hat, dass Migranten häufiger chronisch krank sind und Frauen mit Migrationshintergrund ein 3,4-fach höheres Diabetesrisiko aufweisen als in Österreich Geborene.

Auch die Wiener Leiterin der Selbsthilfegruppe Österreichische Diabetikervereinigung (ÖDV) Elsa Pernetzky, eine diplomierte Krankenschwester und Diabetesberaterin, wundert sich, warum so ein Programm nicht auch in Tirol oder Kärnten angeboten wird. "Wir setzen bei den Schulungen ein Mindestmaß an Deutschkenntnissen voraus, haben aber auch fremdsprachige Broschüren zum Thema herausgegeben", heißt es vonseiten des Hauptverbands.

Was die Ausweitung des Programms auf ganz Österreich betrifft, gibt sich Generaldirektor Josef Probst optimistisch: "Die Niederösterreicher sind seit kurzem wieder über ihre Ärztekammer dabei. Im Burgenland und in Oberösterreich laufen ähnliche Programme. In Kärnten und Tirol müssen wir mit den Studienergebnissen noch Überzeugungsarbeit leisten." (Peter Hopfinger, 12.11.2015)