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Eine Diabetes-Therapie braucht aktive Patienten.

Foto: Klaus Willig/picturedesk.com

53 Millionen Menschen leiden in Europa an Diabetes mellitus, und die meisten am Typ 2. In Österreich sind es knapp 600.000. Eine zentrale Rolle bei der Verbreitung der Krankheit spielen ungesunde Lebensgewohnheiten: Als Hauptverursacher gelten falsche Ernährung, Bewegungsmangel, Übergewicht, Stress und Rauchen. Mittlerweile lässt sich Typ-2-Diabetes medikamentös gut behandeln.

Internationalen Richtlinien entsprechend sind bei der Wahl der Therapie sowohl das Alter, die Dauer der Diabetes-Erkrankung, Begleitkrankheiten oder das soziale Umfeld des Patienten zu berücksichtigen. "Dabei fehlt bislang allerdings der Genderaspekt, der Entwicklung und Verlauf der Erkrankung sowie das Gesundheitsverhalten wesentlich beeinflusst", kritisiert Alexandra Kautzky-Willer, Expertin für Gender Medicine an der Med-Uni Wien.

Zwar erkranken Frauen vor der Menopause seltener an Diabetes als gleichaltrige Männer, da sie eine höhere Insulinempfindlichkeit und eine bessere Insulinausschüttung aufweisen, "wenn aber die Krankheit auftritt, kommt es bei Frauen häufiger zu lebensbedrohlichen Komplikationen wie Unterzuckerung, Schlaganfall oder Herzinfarkt", so die Medizinerin.

"Zudem erhöhen Stress und Bildungsferne die Erkrankungswahrscheinlichkeit bei Frauen deutlich stärker als bei Männern", wie in einer großangelegten Untersuchung nachgewiesen werden konnte. Auch sei der Diabetes-Risikofaktor Übergewicht vor allem bei Frauen stark mit einem niedrigen sozio- ökonomischen Status sowie mit Depressionen und Angststörungen verbunden. Frauen mit Diabetes leiden doppelt so häufig an Depressionen wie Männer. Auch Essstörungen treten bei ihnen häufiger auf.

Frauenspeisen, Männersport

Da die Diabetes-Therapie eine aktive Mitarbeit der Betroffenen und oft eine umfassende Lebensstiländerung erfordert, werden bereits entsprechende Apps zur Unterstützung angeboten. Was diesen Anwendungen aber fehlt, ist die Gender-Anpassung. Denn was für Männer hilfreich ist, muss es für Frauen nicht sein, und umgekehrt. Deshalb wurde das Projekt "DIABgender" ins Leben gerufen, in dem IT-Lösungen zum Diabetes-Selbstmanagement um wichtige Gender-Aspekte erweitert werden sollen.

"Unsere Arbeit baut auf dem EU-Projekt 'Empower' auf, eine Web- und App-Lösung für Diabetiker, mit der sie ihre persönlichen Ziele und wöchentlichen Aktivitäten im Rahmen der Therapie festlegen und überprüfen können", erklärt Manuela Plößnig von Salzburg Research. Durch das Feedback des Systems sollen die Selbstmanagementkompetenzen der Patienten gestärkt und die spezifischen Bedürfnisse von Männern und Frauen berücksichtigt werden.

Wie das funktionieren kann? "Gerade in puncto Lebensstiländerung haben Männer und Frauen sehr unterschiedliche Zugänge", so die IT-Expertin. "Während Frauen beispielsweise besser auf Ernährung ansprechen, nehmen Männer leichter Vorschläge zur Bewegung an." Letztlich gehe es darum, jedem die passenden Informationen zu geben und die Motivation zu steigern.

Digitaler Motivator

So werden die Anwenderinnen etwa auf Symptome in der Menopause hingewiesen, die zu Blutzuckerschwankungen führen können, über Schwangerschaftsdiabetes informiert, mit Ratschlägen zu einer gesünderen Ernährung versorgt oder durch Entspannungstipps zu einem besseren Stressmanagement gelenkt. Je nach Bedarf, den das System über entsprechende Muster erkennt, soll die App maßgeschneiderte Verhaltensvorschläge und Informationen liefern. "Der Arzt kann und soll damit aber nicht ersetzt werden", betont Alexandra Kautzky-Willer.

Die App macht sich zur Aufgabe, den Betroffenen zu einer guten Lebensqualität zu verhelfen. "Sie liefert das Wissen, das dafür erforderlich ist, und motiviert zum Weitermachen", sagt Plößnig. Neben der Med-Uni Wien und Salzburg Research ist mit Sinovo auch ein auf Diabetes-Management spezialisiertes Unternehmen am Projekt beteiligt, das eine Software zur Erfassung von Diabetes-Daten entwickelt.

Zurzeit wird daran gearbeitet, das gesammelte gendermedizinische Wissen über Diabetesund Schwangerschaftsdiabetes in die neue IT-Lösung zu integrieren. Wie hilfreich diese für die Nutzer und Nutzerinnen letztlich ist, wird eine Evaluation Mitte nächsten Jahres zeigen. (Doris Grisser, 13.11.2015)