Sicherheit und Familie ist den Österreicherinnen und Österreichern tendenziell wichtiger als der Wunsch nach Wissen. Hauptzutaten für sozialen Aufstieg sind laut der Studie Einsatzbereitschaft, Fleiß und Ausdauer. Fachkenntnisse kommen erst an fünfter Stelle, noch nach Pünktlichkeit.

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Rund ein Drittel der Berufstätigen in Österreich hat noch an keiner beruflichen Weiterbildung teilgenommen. Das zeigt eine am Dienstag bei einer Pressekonferenz präsentierte IMAS-Studie im Auftrag des Wirtschaftsförderungsinstituts der Wirtschaftskammer (WIFI). In den meisten Fällen geht die Initiative zur Weiterbildung von den Unternehmen aus. Das Thema "Lebenslanges Lernen" (LLL) sei bei all der Aufmerksamkeit für die Bildungsreform in den Hintergrund getreten, sagte Markus Raml, Kurator beim WIFI bei der Präsentation. Nichtsdestotrotz sei Weiterbildung für den Standort Österreich essenziell.

Für die Studie wurden von Mitte September bis Anfang Oktober 1.002 berufstätige Personen ab 16 Jahren in Face-To-Face-Interviews befragt. Demzufolge haben 69 Prozent bereits eine berufliche Weiterbildung absolviert: 29 Prozent in diesem Jahr, weitere 19 Prozent in den letzten zwei Jahren, zehn Prozent in den letzten vier Jahren und zwölf Prozent davor. Überdurchschnittlich weiterbildungsaktiv sind dabei höher Gebildete und Städter.

Bewusstsein in Unternehmen verankert

In 57 Prozent der Fälle ging die Initiative zur Weiterbildung von den Unternehmen aus, in 37 Prozent vom Mitarbeiter (Rest keine Angabe, Anm.). Jüngere Berufstätige unter 34 Jahren sowie jene mit Matura bzw. Hochschulabschluss ergriffen dagegen überdurchschnittlich häufig selbst die Initiative. Raml ist sich sicher, dass es bei den Unternehmen selbst keine Aufforderung geben müsse, mehr Weiterbildung anzubieten. Das Bewusstsein sei bei allen verankert.

Regelmäßig bildet sich in etwa die Hälfte der Berufstätigen weiter, wobei sich auch hier ein Bildungsgefälle zugunsten der Maturanten und Akademiker zeigt. Die Mobilitätsbereitschaft für eine Weiterbildung ist dabei relativ gering. Für eine einmalige, geblockte Weiterbildungsveranstaltung ist rund die Hälfte der Befragten bereit, maximal eine Stunde zu fahren. Ist die Anfahrt länger nimmt die Bereitschaft deutlich ab.

Umsetzung mit Defiziten

Die Bedeutung von lebenslangem Lernen ist laut Studie beinahe unumstritten: 87 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher erachten dieses als sehr wichtig bzw. einigermaßen wichtig. "In der Realität hapert es allerdings", kommentiert der neue WIFI Österreich-Kurator Raml die Studienergebnisse. Denn von jenen Befragten, die lebenslanges Lernen sehr wichtig finden, habe nur ein knappes Viertel dieses nach eigenen Angaben bereits stark umgesetzt.

Sicherheit und Familie zuerst

Ganz allgemein setzen sich die Österreicher als Lebensziel vor allem ein harmonisches Familienleben (70 Prozent) und soziale Sicherheit (62 Prozent). Der Drang nach Wissen ist weniger stark ausgeprägt – nur 27 Prozent wollen "Vieles wissen und neugierig bleiben", 16 Prozent "Vieles lesen und lernen" und 13 Prozent "lebenslang lernen und sich beruflich weiterbilden".

Allerdings sagt Raml: "Auch viele Unternehmer vergessen, sich selber weiterzubilden." Wenn diese außerdem darauf achten würden, welche Mitarbeiter sich wie weiterbilden sollen, würde es auch keinen so starken Fachkräftemangel und nicht so viele vakante Stellen geben. Die Menschen müssten "raus aus der Komfortzone": Generell gelte es, eine breite Grundausbildung zu erwerben und sich dann im Beruf Spezialisierungen auf die Bedürfnisse des Betriebs zu holen.

Wünsche an Politik

Im internationalen Vergleich liegt Österreich laut WIFI-Institutsleiter Michael Landertshammer beim Lebenslangen Lernen je nach Befragungsmethode über- oder unterdurchschnittlich – bei jener EU-Befragung wo ermittelt wird, wer sich in den letzten zwei Monaten weitergebildet hat, liegen die Zahlen bei aktuell 14 Prozent. Wünschenswert wären 20, sagt Landertshammer. Besser aber die Antworten auf die Frage, wer im letzten Jahr an Kursen teilgenommen hat: Hier bejahen 48 Prozent.

Von der Politik wünscht sich Landertshammer einerseits finanzielle Förderungen und andererseits klare Zuständigkeiten. Im Zuge der Steuerreform seien zuletzt Bildungsfreibetrag und Bildungsprämie für Unternehmen gestrichen worden. "Man sollte hier wieder fördernd tätig werden." Er kann sich etwa ein Bildungskonto analog zum Bausparen vorstellen, wo Eigenleistungen der Weiterbildungsinteressierten mit Zuschüssen kombiniert werden – je nachdem, wie dieses angelegt sei, würden 50 bis 100 Mio. Euro dafür anfallen.

Ansprechpartner gesucht

In der Regierung wünscht sich Landertshammer einen klaren Ansprechpartner: Die aktuelle LLL-Strategie ("Ein wunderbares Papier mit gescheiten Sachen, de facto passiert aber nicht viel") sei von vier Ministerien verfasst worden: Eigentlich wäre ein eigener Staatssekretär für Lebenslanges Lernen angebracht. (APA/red)