Ein Berg von einem Mann: Gewohnheitstier Fúsi (Gunnar Jónsson) wird in "Virgin Mountain" die Liebe finden.

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Trailer.

Alamode Film

Wien – Die Sache mit den internationalen Verleihtiteln ist nicht immer leicht zu verstehen. So heißt Dagur Káris Tragikomödie Fúsi außerhalb ihrer isländischen Heimat – und somit auch hierzulande – Virgin Mountain. Anglophile Alpinisten sollten sich davon aber nicht auf eine falsche Fährte locken lassen, bezeichnen beide Titel doch denselben Berg von einem Mann.

Fúsi (Gunnar Jónsson) ist der gutmütige Dicke, wie er im Buche steht. Ein kleiner Bub im Körper eines Riesen, der mit Mitte 40 noch bei seiner Mutter wohnt (die ein wesentlich erfüllteres Liebesleben hat) und sich am liebsten mit seinen Spielzeugsoldaten beschäftigt. Sein Taschengeld verdient er am Gepäckband des Flughafens, an Bord eines Flugzeugs ist er jedoch noch nie gewesen.

Auch wenn er öfters Opfer der derben Scherze seiner Kollegen wird, macht Fúsi nach außen hin keinen leidenden Eindruck, vielmehr hat er es sich in einem Leben der Routine bequem gemacht. Morgens gibt es Frühstücksknusper mit Milch, abends wünscht er sich vom lokalen Radio-DJ harte Rockmusik, einmal die Woche gibt's beim Asiaten Phat Thai.

Nordische Liebesgöttin

Das filmische Regelwerk verlangt freilich nach einem Ereignis, das mit der Routine bricht. Also bekommt Fúsi vom Freund der Mutter die Teilnahme an einem Tanzkurs geschenkt, wo sich mit der gebotenen Verzögerung tatsächlich die proaktive Sjöfn (Ilmur Kristjánsdóttir) von dem Schüchternen aufgabeln lässt. Sjöfn trägt den Namen der nordischen Liebesgöttin nicht umsonst, hat allerdings selbst auch ihre eigenen Probleme, die der Überwindung harren. Mit der ihm gegebenen Geduld und Ruhe sowie seiner unerschütterlichen kindlichen Zuversicht, deretwegen ihn manche für verrückt, wenn nicht sogar gefährlich halten, ist Fúsi wohl das Beste, das ihr passieren konnte.

Dagur Kári, der bereits mit seinem Debütfilm Nói Albínói ein Faible für Außenseiter erkennen ließ, erfindet mit Virgin Mountain den Breitreifen nicht neu. Das ist aber auch nicht notwendig, ist ihm hier doch ein Film gelungen, bei dem man schon sehr zynisch sein muss, um ihn nicht zu mögen. Gunnar Jónsson spielt seine Rolle mit der passenden Zurückhaltung, Rasmus Videbæks Kamera holt sein Gesicht immer wieder ganz nah heran, um zu zeigen, wie Fúsis Sicht der Welt darin ihren Ausdruck findet. Auch Sjöfn, die in ihrer gegensätzlichen Art genauso das Potenzial zur Nervensäge hätte, bleibt trotz ihres schwierigen Charakters eine durchaus einnehmende Figur.

Feiner Humor

Mit feinem Humor gelingt es Kári und seinen Darstellern nicht nur, den großen Kitsch bis zur letzten Einstellung zu umschiffen, in kleinen Momenten vermag Virgin Mountain auch trotz der bekannten Grundzutaten zu überraschen. Wer hätte etwa gedacht, dass es durchaus erfreulich sein kann, wenn Islands in the Stream aus den Boxen schmalzt? (Dorian Waller, 11.11.2015)