Vermutlich stammt das Objekt von einem früheren Mondflug. Auch ein Relikt der Apollo-Ära käme in Frage, wie etwa diese Raketenstufe einer Saturn IVb der Apollo-8-Mission von 1968.

Foto: NASA

Das Foto zeigt WT1190F am 9. Oktober 2015, aufgenommen mit dem 2,2-Meter Teleskop der University of Hawaii.

Foto: university of hawaii / b. bolin, r. jedicke, m. micheli

Colombo / Wien – Seit einigen Tagen sorgt ein Stück Weltraummüll für große mediale Aufmerksamkeit. Dass es das Altmetall von der Erde überhaupt zu dieser Prominenz gebracht hat, liegt einerseits an seiner Katalognummer WT1190F, die an das Kürzel für das englische "What the Fuck" erinnert. Zum anderen aber auch an der Tatsache, dass Experten bis jetzt nicht herausfinden können, woher das Trümmerteil stammt. Allzu viel Zeit blieb ihnen dafür allerdings nicht: Am Freitag um 7.19 Uhr MEZ traf das Objekt über dem Indischen Ozean auf die Atmosphäre und dürfte dabei vollständig verglüht sein. Die angekündigte Lichtshow blieb allerdings aus. Eine dichte Wolkendecke verbarg das Spektakel vor Zuschauern am Boden.

Entdeckt wurde WT1190F 2013 von einer Software, die im Rahmen des Catalina Sky Survey in Arizona nach Asteroiden Ausschau hält. Marco Micheli vom Near-Earth Objekt Coordination Center der Esa konnte das Objekt schließlich auch auf Archivbildern aus dem Jahr 2012 erkennen.

Dass es sich tatsächlich um ein Relikt früherer Raumfahrtmissionen handelt, und nicht etwa um einen Asteroiden, ergibt sich aus dem Orbit, den die Forscher anhand der bisherigen Beobachtungsdaten errechnet haben: Die Bahn von WT1190F beschrieb eine hochexzentrische Ellipse, deren äußerster Punkt 655.000 Kilometer bzw. die 1,7-fache Monddistanz von der Erde entfernt lag.

Video: Der Astronom Andrew Yee beschreibt, was es mit WT1190F auf sich hat.
Andrew Yee

Einige Meter lang und hohl

Aus der vom Strahlendruck der Sonne verursachten Bahnabweichung schlossen die Astronomen auf die Masse von WT1190F – und die scheint sehr gering gewesen zu sein, im Verhältnis zu seiner Größe von einigen Metern. Das und die Tatsache, dass das Objekt auch aus unterschiedlichen Blickwinkeln stets gleich viel Licht reflektiert, deutet auf einen runden Hohlkörper hin. Esa-Experte Detlef Koschny und seine Kollegen halten WT1190F daher für die ausgebrannte Raketenstufe einer früheren Mondmission, womöglich sogar noch aus der Apollo-Ära.

Die Forscher hatten darauf gehofft, dass sie zu dieser Frage noch genug Daten sammeln können, ehe das Trümmerstück um 11.49 Uhr Lokalzeit nur wenige dutzend Kilometer vor der Südküste Sri Lankas mit rund 11 Kilometer pro Sekunde auf die Erdatmosphäre traf und verbrannte. Um jegliche Gefahr auszuschließen, haben die Behörden in Colombo für das betroffene Gebiet eine temporäre Flugverbotszone eingerichtet und den Bootsverkehr eingeschränkt.

Zunächst war man von einem spektakulären Feuerwerk ausgegangen, doch dichte Bewölkung über der Region verhinderte vom Boden aus eine direkte Sicht auf das Spektakel. Dennoch eröffnete das Ereignis den beteiligten Wissenschaftern auch eine einmalige Gelegenheit: Die Beobachtungen können dabei helfen, bestehende Impakt-Modelle über Objekte auf Kollisionskurs mit der Erde, darunter beispielsweise auch Asteroiden, zu überprüfen und weiter zu verbessern. (Thomas Bergmayr, 12.11.2015)