Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: APA/AFP/Kirk

London/Frankfurt – Roger Federer lächelte verschmitzt. Nach dem "großen Sieg" von London wollte der Grand-Slam-Rekordgewinner sein Erfolgsrezept nicht preisgeben – noch nicht. "Denn es kann ja sein, dass wir bald nochmal gegeneinander spielen", sagte Federer mit Blick auf den in diesem Jahr so übermächtigen Novak Djokovic. Bald, das wäre im Finale des ATP-Saisonfinals am Sonntag in der von Spots durchfluteten Arena.

Im Gruppenspiel feierte Federer gegen den serbischen Branchenführer beim überraschenden 7:5, 6:2 schon einmal einen moralischen Erfolg – und fügte dem "Djoker" die erste Niederlage nach zuvor 23 Siegen in Folge und erst die sechste Saison-Pleite überhaupt zu. Unter dem Hallendach hatte er seit vier Jahren nicht mehr verloren. "Es gibt solche Tage, wenn du dich einfach nicht gut fühlst. Nicht annähernd so gut, dass deine beste Leistung in Reichweite wäre", klagte Djokovic, dem 22 unerzwungene Fehler unterliefen.

"Den Sieg förmlich geschenkt"

Der Titelverteidiger hatte aber auch ein paar anerkennende Worte für den Schweizer Altmeister Federer (34) parat. Für den Mann, dem er nicht unbedingt in grenzenloser Sympathie verbunden ist. "Ein Lob an Roger, wie er das Tempo variiert hat. Er hat sehr klug zwischen Slice und Spin gewechselt", meinte Djokovic, bevor er wieder ein wenig stichelte: "Ich habe ihm den Sieg im zweiten Satz förmlich geschenkt."

Roger Federer im Interview.
ATPWorldTour

Der doppelte Zwillings-Vater Federer, der die inoffizielle WM zuletzt 2011 gewonnen hatte und bereits im Halbfinale steht, reagierte dann auch etwas überrascht auf die Analyse des amtierenden Melbourne-, Wimbledon- und New-York-Siegers. "Novak hat mir den Sieg geschenkt? Er kann sicher besser spielen, aber ganz ehrlich, wenn du siehst, wie er in diesem Jahr gespielt hat, musst du das auch erst noch nutzen können", sagte "King Roger" und konterte: "Das ist mein Verdienst." Weil er es nicht zugelassen habe, habe Djokovic nicht gut gespielt.

"Sneak Attack by Roger"

Bereits am Rande der US Open im September war es zu Irritationen zwischen Federer und Djokovic-Coach Becker gekommen. Der Grund war der vom Schweizer des öfteren als Return geschlagene Halb-Volley von der T-Linie ("Sneak Attack by Roger"). Der "SABR" sei respektlos, kritisierte Becker damals: "Es gibt im Fußball ungeschriebene Regeln, und es gibt im Tennis ungeschriebene Regeln", sagte der dreimalige Wimbledonsieger in Flushing Meadows und beklagte wiederholt die fehlende Anerkennung für Djokovic. Und indirekt auch den Heldenstatus von Federer in der Tennis-Welt.

Während die frühere Nummer eins die Qualifikation für die Vorschlussrunde bereits vor seinem abschließenden Match gegen Kei Nishikori (Japan) am Donnerstag sicher hat, kann Djokovic mit einem Erfolg gegen den Tschechen Tomas Berdych das Halbfinal-Ticket aus eigener Kraft buchen. Der 28-jährige Serbe hatte den Titel beim Saisonabschluss-Turnier zuletzt dreimal in Folge gewonnen. (sid, 19.11.2015)