Ulrike Müller in ihrer Ausstellung "The old expressions are with us always and there are always others".

Foto: mumok / eSeL.at

STANDARD: Ihre Arbeit wird oft als queer-feministisch präsentiert. Viele bildende Künstlerinnen verwehren sich gegen diese Kategorisierung. Wie geht es ihnen damit?

Müller: Ich fände diese Zuordnung schwierig, wenn sie zur einzigen Linse würde, durch die meine Arbeiten betrachtet werden. Zugleich gehört ein feministisches Engagement aber zu meinem Werdegang und ist Teil einer Geschichte, auf die ich mich auch aktiv beziehe. Nicht nur im künstlerischen Bereich, sondern auch in meiner publizistischen oder organisatorischen Arbeit stand das für mich explizit im Vordergrund. Wichtig ist mir dabei aber immer der Bezug auf einen Begriff von Queerness, der sich nicht auf eine Identitätskategorie verkürzen lässt. Historisch, im Rahmen der AIDS-Krise, waren queere Allianzen ja der dringende Versuch, über Identitätskategorien hinwegzutreten. Als beschreibendes Label für meine Kunst finde ich queer-feministisch aber problematisch und ich habe mich auch schon dagegen ausgesprochen, weil es zu Verkürzungen führt.

STANDARD: Inwiefern?

Müller: Es kann dazu führen, dass alles direkt und unmittelbar nicht nur auf Körper im abstrakten Sinne zurückgeführt wird, sondern auch auf meine persönliche Position, meine Sexualität oder meinen Körper – und genau darum geht es mir in meiner Arbeit nicht. Es geht mir darum, diese Vektoren umzudrehen und die BetrachterInnen zu implizieren. Die Problematik liegt darin, dass sowohl die bildhafte Leseweise meiner Arbeiten als auch mein Status als Autorin vereinfachend verzerrt wird, und dagegen bin ich angetreten. Aber grundsätzlich ist mir der queer-feministische Bezug im oben beschriebenen Sinne sehr wichtig.

STANDARD: Hat eine politische Positionierung auf die Bewertung durch den Kunstmarkt Einfluss?

Müller: Ich kann das so nicht beantworten. Aber ich habe mich auch sehr lange nicht am Kunstmarkt beteiligt. Meine erste kommerzielle Galerieausstellung in New York war vor eineinhalb Jahren und ich habe das Glück, mit einer Galerie zusammenzuarbeiten, mit der es ein sehr vertrauenswürdiges und transparentes Verhältnis gibt. Dass ich mich nie benachteiligt gefühlt habe, hat womöglich damit zu tun, dass es gerade im Bereich der Malerei in der Generation vor mir zahlreiche Malerinnen gibt, die in ihrem Feld sehr sichtbar sind wie zum Beispiel Amy Sillman, Jacqueline Humphries oder Mary Heilmann. Es gibt eine ganz Riege von Malerinnen, die ihre Verhältnisse zum Feminismus durchgearbeitet haben. Ich hatte immer das Gefühl, dass ich mich auf all diese Geschichten berufen kann.

STANDARD: Viele Künstlerinnen, die im weitesten Sinne als feministische Künstlerinnen gelten, arbeiten sehr viel mit dem eigenen Aussehen, mit dem eigenen Körper oder der eigenen sozialen Positionierung. Sie machen das nicht, warum eigentlich?

Müller: Mir geht es darum, diesen Begriff des ‚Selbst" auseinanderzunehmen oder zu problematisieren. Das hängt auch mit der Frage nach der künstlerischen Hand zusammen: Wie macht man Pinselstriche, was ist überhaupt Expressivität. Mir geht es um eine Suche nach Ausdrucksweisen, die einem überhaupt zur Verfügung stehen. Das kommt auch stark aus dem Feminismus der 1990er-Jahre als die Konstruiertheit von Geschlecht und das "nicht mit sich selbst identisch sein" ganz wichtig war, das man ja auch anderen zugestehen will. Die Fragen, die sich daran anknüpften lauten dann: Auf welchen Ebenen trifft man sich, welche dynamischen Beziehungen werden etabliert? (Beate Hausbichler, 28.11.2015)