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Für Kinder ist es wichtig, zu sehen, dass sie nicht in der passiven Rolle gefangen sind. Sie können Blumen an einen Gedenkort bringen, oder ermutigt werden, ein oder zwei Euro zu spenden.

Foto: apa

Angst. Alarmbereitschaft. Terror. Diese drei Signalwörter dominieren seit über einer Woche nicht nur die Nachrichten, sondern sie bieten auch genügend Gesprächsstoff. Paris bewegt. Die Situation in Brüssel macht nachdenklich und löst bei vielen Angst aus. Doch genau davor, diesem Gefühl zu viel Raum zu geben, warnt Psychologin Brigitte Rollett: "Die Angst der Eltern färbt auf ihre Kinder ab. Erwachsene müssen ihre Gefühle zwar nicht verstecken, aber bearbeiten und den Kindern dadurch Schutz vermitteln."

Rollett verweist mit diesem Ansatz auf die österreichisch-britische Psychoanalytikerin Anna Freud. Die Tochter Sigmund Freuds untersuchte, welche Auswirkungen das Verhalten der Eltern auf ihre Kinder bei Luftangriffen hat. Ihr Fazit: Wenn die Eltern keine Angst zeigen, dann geht es den Kindern gut.

Zeichen setzen

Der Eiffelturm blieb dunkel, stattdessen erhellte ein Lichtermeer Paris. Blumen wurden niedergelegt – als Zeichen der Solidarität mit den Opfern nach den Terroranschlägen vom 13. November. Ein stummer Aufschrei der Trauernden, der symbolisierte, nicht machtlos zu sein.

Für Psychologin Brigitte Rollett liegt darin die Kernaufgabe von Eltern. Die passive Haltung solle abgestreift werden. Durch derartige Gesten könne Kindern gezeigt werden, dass sie dem Terror nicht ausgeliefert seien: "Immer dann, wenn Menschen das Gefühl haben, etwas Positives tun zu können, fällt es ihnen leichter, mit solchen Schreckensbildern fertig zu werden. Instinktiv bringen Menschen bei traurigen Katastrophen Blumen an den Schreckensort oder Spenden für die Opfer", sagt die pensionierte Universitätsprofessorin.

Auch Kinder könnten ermutigt werden, etwas von ihrem Taschengeld zu spenden, um aus der passiven Rollen herauszukommen, ergänzt Rollett. Man könne die Anschläge zum Anlass nehmen, um den Kindern zu sagen, dass sie klüger sein könnten, indem sie später für eine friedliche Gesellschaft sorgen.

Blumen gegen Waffen

Intuitiv hat ein Franzose an einem Gedenkort für die Opfer in Paris seinem Sohn diese Botschaft gesendet. Der Bub hat Angst: "Die bösen Menschen haben Pistolen. Sie können uns erschießen, weil sie wirklich, wirklich böse sind." Schließlich erklärt er seinem Vater, dass es deshalb das Beste sei, wegzuziehen.

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Dieser versucht zu beruhigen: "Sie haben Pistolen, aber wir haben Blumen", antwortet er. Als sein Sohn noch immer verunsichert ist, ergänzt der Vater mit sanfter Stimme: "Siehst du? All diese Menschen sind mit Blumen gekommen. Die Kerzen erinnern an jene, die von uns gehen mussten." Das ist dem Buben einleuchtend: "Die Blumen und Kerzen sind also da, um uns zu beschützen?" Kurz scheint er widersprechen zu wollen, dann erhellt ein Lächeln sein Gesicht. Er fühle sich jetzt besser.

Das Video, in dem diese Szene zu sehen ist, verbreitet sich mit den Worten "I feel better now" im Internet. Es gibt den Menschen Hoffnung.

Kindgerecht agieren

In einem Punkt sind sich alle Experten einig: Eltern sollen vermeiden, neben dem Kind über die Terroranschläge zu diskutieren. Ebenso sollte darauf geachtet werden, dass Kinder Medien mit diesen Inhalten nicht konsumieren. Denn es ist ihnen noch nicht möglich, die Flut an Schreckensbildern wie Erwachsene zu verarbeiten und einzuordnen.

Da es derzeit aber nahezu unmöglich ist, dass Kinder mit diesen Meldungen überhaupt nicht in Kontakt kommen, müssen Eltern den Kindern Erklärungen geben. Für Psychologin Brigitte Rollett könnten diese so lauten:" Menschen haben oft Streit miteinander, das kennst du doch auch. Wenn der Streit zu einer Einigung führt, dann ist das okay. Wenn es aber nur bei diesem Streit bleibt, dann ist das nicht okay." Kinder sollten lernen, dass Gewalt nicht notwendig sei, dass es Menschen gebe, die klüger seien – zu denen auch sie einmal zählen können. (Sophie-Kristin Hausberger, 25.11.2015)