Landwirte und (literarische) Realitätenvermittler unter sich: Thomas Bernhard (links) zusammen mit seinem Ohlsdorfer Nachbarn und Lebensabschnittsfreund Karl Ignaz Hennetmair in den 1970ern.

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Wien – Der weise Platon war voll des Zorns auf die Dichter. Den Vater der abendländischen Metaphysik kostete es keine Mühe, die Rhapsoden der Antike als unwissende Trottel zu entlarven. Sein Vorwurf war im Grunde unwiderleglich. Im Wesentlichen hätten die Poeten keine Ahnung, worüber sie fabulieren. Sind doch schon die Gegenstände, die wir sinnlich auffassen, nichts als bloße Abbilder der ewigen, unwandelbaren Ideen. Was soll man daher von Dichtwerken halten, die ihrerseits bloß Abbildungen von Abbildern darstellen?

Der Kärntner Autor Janko Ferk (56) ist Jurist und als Richter eine rechtsgelehrte Koryphäe. Sein neues Buch "Bauer Bernhard. Beamter Kafka" trägt den Untertitel "Dichter und ihre Zivilberufe". Das Werklein ist wohltuend unverschwatzt. Ferk vermeidet es, pompöse Vermutungen anzustellen. Häufig genug studieren angehende Autorinnen und Autoren Rechtswissenschaften. Sie tun es, weil wohlmeinende Erziehungsberechtigte sie dazu anstiften. Wer als Beamter erst einmal Ärmelschoner trägt, der findet immer noch Muße und Gelegenheit genug, nebenher zu schreiben, und sei es für die Schublade.

Eine solche Denkungsart krankt an der Geringschätzung, die man – vielleicht ohne es zu wollen – der Jurisprudenz entgegenbringt. Das Studium der Rechte wäre, ungeachtet seiner bedeutenden Schönheiten, eine Verlegenheitslösung.

Bauern und Juristen

Die Wahrheit ist eine andere. Weil so wenige Autorinnen und Autoren von ihren literarischen Erzeugnissen leben können, verhalten sich alle, die es gut mit ihnen meinen, wie Versicherungsbeamte. Sie raten vorsorglich zu Zivilberufen, weil die Kunst ja gerade darin besteht, wie Hans Weigel gesagt hat, von ihr zu leben.

Einer, der von seiner Literatur etwa ab Mitte der 1960er-Jahre sehr gut leben konnte, war Thomas Bernhard. Kaum floss das Preisgeld im Gefolge von "Frost", gewährte ihm sein Verleger Siegfried Unseld zinsenlose Darlehen. Bernhard begann, Bauernhäuser wie andere Sportwagen zu sammeln. Auf die Sitzlehne seines Traktors schraubte er stolz ein Schild, auf dem er sich als "Bauer zu Nathal" in Ohlsdorf (OÖ) zu erkennen gab. Die Kaufurkunde über einen Hof bei Gmunden zeichnete der vielleicht größte Romanschriftsteller seiner Generation mit "Landwirt u. Literat moderner Literaturklassiker". Eine Doppelbegabung lohnt sich eben.

Großspurigkeit bildet die Ausnahme in den neun heimischen AutorInnenporträts, die Ferk behutsam zusammengetragen hat. Zu Figuren wie Grillparzer und Anton Wildgans gesellen sich bedeutende Außenseiter beiderlei Geschlechts, wie Berta Zuckerkandl und Albert Drach.

Kaum jemals dient der Zivilberuf nur zum schnöden Broterwerb. Franz Kafka, der begabteste Junggeselle seiner Generation, bildete als Sekretär der "Arbeiter-Unfallversicherung" eine soziale Ader aus. Seine Büroarbeit empfand er als trist: "Mein Dienst ist lächerlich und kläglich leicht!" Andererseits erschienen ihm die letzten Arbeitsminuten am Tage als "Sprungbrett der Lustigkeit".

Kollegen wie der gelernte Richter Anton Wildgans (1881–1932) kamen bald nach Absolvierung des Praktikums um Urlaub ein. Das entsprechende Gesuch an das Justizministerium 1911 ist ein kleines Meisterwerk. Wildgans, später zweimaliger Burgtheaterdirektor, versicherte den Vorgesetzten, er werde in seinen erst zu verfassenden Schriften die "Fragen des Rechts und der Moral" genau zu behandeln versuchen.

Tatsächlich sind Recht und Moral eben nicht dazu da, über literarische Figuren Recht und Unrecht zu sprechen. Im blitzartigen Erweis einer solchen Einsicht wächst Janko Ferks kleines Lexikon über sich hinaus. Man freut sich – und vermisst einige Namen: Oswald Wiener (Wirt), Matthias Mander (Manager), Bodo Hell (Senn), Peter Marginter (Beamter). (Ronald Pohl, 26.11.2015)