Tatjana Lackner beschreibt die aktuellen "Hits" der Kommunikations-Allüren und Phrasendrescherei

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Bei Weihnachtsreden wird schon heftig Bullshit-Bingo-Slam mit Füllwörtern gespielt. Bei vielen Jahresrückblicken läuft die Phrasendreschmaschine warm. Aber auch auf vorweihnachtlichen Smalltalkbühnen kann man jedes Jahr neue Kommunikationsallüren erleben – analog und digital. Sprache und Macken entwickeln sich schließlich weiter. Aktuelle Hits:

· Bullshit-Slam

Redner garantieren uns, "in Zeiten, wie diesen" oder "am Ende des Tages" "eine gute Performance abzuliefern", aber nur wenn wir "gemeinsam an einem Strang ziehen". Sie machen uns klar, worum es im Leben wirklich geht: "Added Value, Downpricing oder Brand- Polish? Das ist doch die Frage!" Verwunderlich ist, wie oft in der Servicewüste Österreich das Wort "kundenorientiert" in den Mund genommen wird. Viele reden sogar von "ich hab gerade eine Kunde" und meinen damit nicht die frohe Botschaft, sondern den Käufer.

· Nein, aber...!"

Meistens dient die Unterbrecherformel: "Nein, aber ... Hast eh recht" lediglich dazu, sich den Redeanteil zu sichern und so einen Türöffner ins Gespräch zu ergattern. Immer noch gilt: Sag "nein", wenn du "nein" meinst. Erst dem Gesprächspartner widersprechen, um ihm dann aus vollem Herzen recht zu geben, ist zumindest irritierend. Diese Unart macht gerade die Runde. Manchen fällt jedoch keine bessere Methode ein, um sich an der Unterhaltung zu beteiligen, als grundsätzlich dagegen zu sein. Das ist weder der eleganteste Dialogeinstieg noch beziehungsorientiert.

Der Gesprächspartner wird unlogischerweise mit einem "Nein, aber ..." blockieren und erhält dann Zustimmung.

Beispiel: Paul und Peter sind sich einig darüber, dass das politische Personal in unserem Land parterre ist. Paul redet und redet. Peter versucht das Gespräch an sich zu ziehen mit einem Schein-Einwand: "Nein, aber ... Es ist schon wirklich arg, was zurzeit politisch so rennt."

Wozu verwendet er das "Nein, aber"? Offenbar ist ihm keine andere Taktik eingefallen, den Vielredner Paul zu unterbrechen.

· "Wer weiß, wofür es gut war?"

Ein anderes Muster: Smalltalker, die sich gleich selber recht geben und Affirmationsformeln laut beten. Das Gegenüber darf sich dann maximal anschließen.

Beispiel: Alina sagt zu ihrer Freundin Brigitte recht selbstzufrieden: "Du weißt ja, ich war bei meinem Freund und nicht beim Betriebsausflug. Na ja, wer weiß, wofür es gut war, denke ich mir. Stimmt's?"

Mit der vorauseilenden Feststellung, wahrscheinlich eh nichts verpasst zu haben und vor Schlimmeren bewahrt worden zu sein, tröstet sich Alina gleich selber. Ihre Suggestivfrage mutet zwar dialogisch an, erlaubt aber wenig Widerrede. Denn was soll Brigitte schon sagen? "Nein, meine Liebe, da hast du aber mächtig was versäumt. Die gesamte Abteilung wird noch Monate lang darüber blödeln, aber eben ohne dich."

· "Weil ich es kann"

Ein neues Phänomen: Menschen vertonen ihre Selbstgespräche und lassen uns Anteil nehmen am zufriedenen Selbstkonzept. Eigenlob, das früher äußerst peinlich war, gilt heute als chic. Wie aus einer schlechten Soap wirkt die folgende Phrase. Anna sagt zu ihrer Freundin Bernadette: "Heute tue ich mir etwas Gutes und gönne mir ein Glas Rotwein. Warum? Weil ich es kann!"

"Weil ich es kann?" Was soll das heißen? Kommunikationspsychologisch erlaubt sich Alina ein läppisches Glas Rotwein und bestätigt gleichzeitig, dass sie in der Lage ist, dafür monetär aufzukommen. Also ein lautes Bravo! In Wahrheit gefällt sich hier jemand richtig gut dabei, die eigenen Bedürfnisse hörbar wichtig zu nehmen.

· "Weißt du, was ich meine?"

Fragesätze wie "wer weiß?" oder "weißt du's?" und all deren Abwandlungen dienen ebenfalls der reinen Eigenbestätigung. Dem Gesprächspartner wird hier nahegelegt, besser nicht anderer Meinung zu sein. Alina: "Ich bin sicher, dass Manuela gar nicht krank war, als sie sich einen Krankenstandstag genommen hat. Vielleicht war sie sich ja wo bewerben" – PAUSE – "Na weißt du's?"

Abgesehen von der scheußlichen Vernaderung und der böswilligen Unterstellung "weiß" Brigitte natürlich nicht mit Gewissheit, ob es sich so zugetragen hat. Anstelle von "Geh bitte, warum behauptest du so was?" antwortet sie deshalb nur abgeschwächt: "Keine Ahnung!" Die "Weißt du, was ich meine?"-Frageformel nimmt Wind aus den Segeln. Es hat den Anschein, als würde man den anderen zur Antwort einladen. Dabei wird hier subkutan und sehr perfide getestet: "Kannst du mir das Gegenteil beweisen?" (28.11.2015)

Der Knigge zum Fest