Ich habe Hadi Mohammadi bei Markus Thums' "Boatpeople"-Ausstellung kennengelernt. Er war auf der Bühne und erzählte seine Geschichte. Eine Geschichte, wie sie heute viele Millionen Menschen haben: Ein 13-Jähriger, der völlig allein aus Afghanistan flüchtet. Eine Flucht, die insgesamt fünf Monate dauert. Er wird von Schleppern in den Iran und durch die Türkei geschleust, wo sie von Polizisten beschossen werden. Mit ein paar anderen jungen Burschen setzt er in einem löchrigen Schlauchboot nach Griechenland über, schlussendlich kommt er in einem Lkw versteckt in Österreich an. Mittlerweile lebt er seit sieben Jahren in Wien.

WIENER PORTRAITS

Was macht dich zum Wiener?

Ich lebe mein ganzes bewusstes Leben in dieser Stadt. Ich arbeite hier, zahle Steuern und ein Teil meiner Freunde lebt hier.

Wo bist du aufgewachsen?

Geboren bin ich in Afghanistan, in einer sehr liebevollen Familie. Als ich 13 war, hat mich meine Mutter auf die Flucht geschickt. Damals konnte ich nicht verstehen warum. Heute weiß ich es: Für uns Afghanen von der Minderheit der Hazara gibt es weder in Afghanistan noch in Pakistan ein sicheres Leben. Mein Bruder musste diese Zustände im vergangenen Herbst mit dem Leben bezahlen.

Was sind Schlepper für Menschen?

Sie sind Helfer und Räuber! Nicht mehr, nicht weniger.

Wie schaut man solchen Menschen in die Augen? Haben sie kein Mitleid?

Auf der Flucht schaut man einfach nur darauf weiterzukommen. Egal wen man trifft, man schaut den Menschen mit aller Hoffnung in die Augen. Jeder ist nicht gleich, sondern anders. Man wünscht und hofft eben genau auf jemanden der "anders" ist und vielleicht kann dieser Mensch ein bisschen helfen. Man erwartet Hilfe, aber man bekommt sie nicht immer. Jene die helfen, bleiben dir für immer in Gedanken. Jene die es nicht tun, bleiben auf der Flucht zurück. Ich traf Menschen, die ich nicht kannte und sie haben mir ihre Hilfe angeboten. Ich werde mich für immer an jeden einzelnen erinnern.

Wer zum Beispiel?

Auf der Flucht habe ich mich total hilflos und verwahrlost unter einem LKW versteckt. Es war Mitternacht. Plötzlich hielt der LKW an und es wurden Kontrollen durchgeführt. Ich war müde, erschöpft und schon lange auf der Reise. So habe ich auch ausgesehen! Die Kontrolleure haben mir in die Augen geschaut und mich einfach gehen gelassen. Sie sind schwach geworden. In ihrem Dienst dürfen sie kein Mitleid haben. Ich konnte sehen, wie sie innerlich mit sich gekämpft haben. Befehl gegen Herz. Bei solchen Kontrollen wurde ich nämlich am meisten verprügelt. Dieses eine Mal nicht.

Wie würdest du die Flüchtlingskrise angehen?

Wir helfen den Menschen, die zu uns kommen, solange in ihren Ländern Krieg oder Verfolgung herrscht. Solange ihr Leben gefährdet ist. Wenn wir ihnen helfen, dann beweisen wir, dass wir wirklich zivilisiert sind und in einem Rechtsstaat leben. (6.12.2015)