Arbeiten als "Crowdworker" in der virtuellen Cloud: ein relativ neues Konzept, Aufgaben zu verteilen und Arbeitsprozesse zu organisieren.

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Das sogenannte Crowdworking ist ein relativ neues Phänomen: Eine anonyme Masse an Freiberuflern ("Crowdworkern") offeriert ihre Arbeitskraft auf virtuellen Plattformen. Unternehmen – die immer stärker dem Kostendruck unterliegen, Aufgaben kurzfristig vergeben müssen und denen es intern oft an Innovationen fehlt – nehmen ihre Leistung auch fleißig in Anspruch, vergeben Aufträge also an die "Crowd", anstatt fixe Mitarbeiter damit zu beauftragen.

Die Gruppe der Crowdworker ist heterogen. Auf den Plattformen tummeln sich sowohl Niedrigqualifizierte, die oft einfache Tätigkeiten anbieten, als auch Gutausgebildete – Programmierer, Softwareentwickler, Webdesigner oder Marketingexperten. Während für Erstere das Crowdworking oft die einzige Option ist, um der Arbeitslosigkeit zu entgehen, sehen es Letztere als Zusatzbeschäftigung, die ihnen die Möglichkeit bietet, sich Talenten und Ideen zu widmen. Sie sind überwiegend jung, männlich und haben entweder Hochschulreife oder sogar ein Universitätsstudium vorzuweisen. Meist arbeiten sie neben einem Nine-to-five-Job über die Vermittlungsplattformen.

Wunsch nach Vertretung?

Von regulären Arbeitnehmern unterscheiden sich Crowdworker jedenfalls fundamental: Sie werden pro Auftrag angeheuert, sind bisher schlecht vom Arbeitsrecht geschützt, arbeiten ausschließlich in der virtuellen Datenwolke (der Cloud) und sind als Gruppe schlecht zu fassen. Sie zu vertreten stellt Gewerkschaften in Deutschland und Österreich daher vor Herausforderungen.

Ob Crowdworker aber überhaupt vertreten werden wollen – und wenn ja, in welcher Form -, erhoben Ayad Al-Ani und Stefan Stumpp (Alexander-von-Humboldt-Institut für Internet und Gesellschaft) erstmals in einer Studie. Grundlage dafür waren eine Expertenbefragung und eine Online-Umfrage unter 165 IT- und Kreativ-Crowdworkern.

Das Ergebnis zeigt, dass knapp ein Drittel offenbar nicht erwartet, dass Gewerkschaften die Rahmenbedingungen ihrer Arbeit verbessern. Laut Studienautoren kann der Pessimismus mehrere Gründe haben: "Gewerkschaften sind in diesem für sie neuen Gebiet noch nicht offensiv und offensichtlich tätig geworden, sodass hier Erfahrungen fehlten." Die für die Studie Befragten würden sich möglicherweise nicht als "typische" Klientel der Gewerkschaften empfinden, diese sich wiederum auch noch nicht als authentische Vertretung der Crowdworker präsentieren. "Außerdem agieren die meisten Befragten auch noch nicht lange (rund 45 Prozent noch nicht länger als ein Jahr, Anm.) auf den jeweiligen Plattformen", so Al-Ani und Stumpp weiter. "Erfahrungen deuten darauf hin, dass sich Kritik und das Bewusstsein für Asymmetrien erst nach einer gewissen Zeit einstellen."

Beratung, Zertifizierung

Momentan wollen Crowdworker von Gewerkschaften vor allem beraten werden, rund ein Drittel gab das in der Umfrage an. Rund ein Viertel meint: Gewerkschaften sollen bei Konflikten schlichten. Das weise darauf hin, "dass die Dilemmata der Unternehmensplattformen und deren Machtasymmetrien mehr in das Bewusstsein rücken", sagen die Studienautoren.

Was sich die Crowdworker von den Gewerkschaften noch wünschen? Dass diese die Mechanik und Algorithmen der Plattformen möglichst offenlegen – und sie zertifizieren (das wird von einem Drittel der Studienteilnehmer befürwortet). Eine ihrer traditionellen Aufgaben, auch das wurde in der Umfrage deutlich, sollten Gewerkschaften nach Meinung der befragten Crowdworker für sie nicht übernehmen: nämlich die der Interessenvertretung. Das liegt laut Al-Ani und Stumpp vor allem daran, dass Crowdworker vergleichsweise gut darin seien, sich selbst zu organisieren. Hingegen könnten Gewerkschaften nach Wunsch der Crowdworker stärker als eine neutrale, unabhängige Stelle aktiv werden.

"Sie müssen ihre Fähigkeiten zum Entschlüsseln von Algorithmen ausbauen, um kompetent beraten, schlichten und Plattformprozeduren zertifizieren zu können", lautet das Fazit der Autoren. "So würden Wettbewerbsnachteile verhindert und den Crowdworkern signalisiert, dass alles nach fairen Kriterien funktioniert."

Hilfe zur Selbsthilfe

Das zweite Handlungsfeld für Gewerkschaften sieht das Forscherduo darin, Crowdworker bei der Selbstorganisation zu unterstützen. Probleme würden notwendigerweise auftreten, sobald sich das Crowdworking weiter etabliere. Um sie zu lösen, würden Ad-hoc-Organisationen entstehen. Eine Möglichkeit für Gewerkschaften wäre, mit ihnen zu kooperieren. Dafür müssten sie schließlich ihre Strukturen ändern: ebenfalls Plattformen bauen, "flacher, vernetzter und partizipativer werden". (Lisa Breit, 14.12.2015)