Mit der anhaltenden Krise zeichnet sich eine Divergenz der Lebens- und Beschäftigungsbedingungen zwischen Jüngeren und Älteren in Europa ab. Armutsindikatoren zeigen, dass junge Menschen besonders hart von der Rezession getroffen wurden, und das nicht nur in den am stärksten von der Krise betroffenen Ländern, sondern in der gesamten EU. Die Jugendarbeitslosigkeit in der EU erreichte Ende 2013 fast 24 Prozent, das sind 5,5 Millionen Menschen im Alter unter 25 Jahren.

Diese Zahlen sind besonders besorgniserregend, da sie langfristige Auswirkungen auf Produktivität und Wirtschaftswachstum eines Landes haben. Jüngste Forschungsergebnisse zeigen, dass längere Phasen von Arbeitslosigkeit nach dem Abschluss, wenn man die ersten Fähigkeiten am Arbeitsplatz erwerben sollte, ganze Karrieren beeinträchtigen und zu einer geringeren Produktivität führen. Jugendarbeitslosigkeit hat negative Auswirkungen auf Geburtsraten und demografische Dynamiken; aufgrund der höheren Einkommensunsicherheit, die die Arbeitslosigkeit mit sich bringt, werden Entscheidungen in Bezug auf Familiengründung verzögert.

Drei Arten von politischen und ökonomischen Entwicklungen haben wesentlich zur wachsenden Generationenkluft während der Krise beigetragen.

· Erstens makroökonomisches Management; vor der Entscheidung der Europäischen Zentralbank im Juli 2012, alles zu tun, um den Euro zu retten, hatten sich die finanziellen Bedingungen in einigen Mitgliedsstaaten des Euroraums dramatisch verschlechtert. Staatshaushalte sowie Unternehmen verloren den Zugang zu internationalen Finanzmärkten. Darüber hinaus war die Finanzpolitik im Euroraum zu restriktiv, was zu einer Verschärfung der Rezession führte. Folglich stieg die Arbeitslosigkeit in allen Altersklassen, aber insbesondere die Jugend hatte darunter zu leiden. Dies ist zum Teil dem Übermaß an befristeten Verträgen zu verdanken, die hauptsächlich von jüngeren Arbeitnehmern in Anspruch genommen werden.

· Zweitens hat sich die Zusammensetzung der Staatsausgaben während der Krise zulasten der jüngeren Generation verändert. In der EU ist der Anteil der Ressorts wie Bildung, Gesundheit und Familienförderung an Staatsausgaben zurückgegangen, während die Ausgaben für Arbeitslosigkeit stiegen, vor allem in den Krisenländern. Nur Pensionisten scheinen von den Kürzungen verschont geblieben zu sein, und in einigen Fällen profitieren sie sogar von steigenden Mitteln. Diese Verlagerung der Ausgaben von Jung auf Alt trug zur wachsenden Kluft zwischen den Generationen bei.

· Drittens vernachlässigten die Pensionsreformen, die während der Krise verabschiedet wurden, um die Staatshaushalte in Ordnung zu bringen, die Generationengerechtigkeit. Langfristig wird sich das Verhältnis zwischen durchschnittlichem Pensionseinkommen und Durchschnittseinkommen der Arbeitenden erheblich verringern. Das bedeutet, dass sich die Jugend Pensionen erwarten kann, die weniger großzügig gegenüber heutigen Pensionen sind. Die Last scheint deshalb nicht gerecht verteilt, und die Pensionsreformen haben in der Regel gegenwärtige über zukünftige Pensionisten begünstigt, was wieder zu einem wachsenden Abstand zwischen Jung und Alt führte.

Angela Merkel merkte an, dass die EU im globalen Vergleich sieben Prozent der Weltbevölkerung darstellt, 25 Prozent des BIPs und 50 Prozent der Sozialausgaben. Diese Statistik fasst die Großzügigkeit der europäischen Wohlfahrtsmodelle gut zusammen, während sie gleichzeitig ihre zukünftige Nachhaltigkeit infrage stellt.

Ein alterndes Europa kann es sich nicht leisten, die Fähigkeiten und Talente der Jugend zu verschwenden. Die Bewältigung des wachsenden Abstands zwischen den Generationen muss oberste politische Priorität sein. Europa braucht makroökonomische Politiken, die zu einer besseren fiskalen Stellung des gesamten Euroraums beitragen. Wir sind skeptisch, ob eine europäische Arbeitslosenversicherung solch eine stabilisierende Rolle spielen könnte. Langfristig könnte sie sich als effektiv erweisen, aber kurzfristig wäre sie mit einem erheblichen Aufwand bezüglich Harmonisierung der Arbeitsmärkte verbunden. Ein praktischerer Vorschlag wäre ein verbesserter Fiskalpakt, der symmetrischer und verbindlicher arbeitet, als der derzeitige Fiskalpakt.

Gegen die Jugendarbeitslosigkeit würden wir Arbeitsverträge vorschlagen, die steigende Jobsicherheit garantieren, je länger das Arbeitsverhältnis dauert. Solche Maßnahmen würden aber erst während eines Konjunkturaufschwungs ihre Wirkung zeigen. Falls neue Kürzungen am staatlichen Haushalt notwendig werden, sollten Regierungen aus Fehlern lernen und unproduktive Staatsausgaben kürzen statt zukunftsorientierte Investitionen in die jüngere Generation. Die Staatsausgaben sollten auch überdacht werden, um der Verlagerung des Ausgabeschwerpunkts von Jung auf Alt gegenzusteuern. Schließlich sollte die Generationengerechtigkeit in Pensionssystemen verbessert werden, Pensionsreformen sollten nicht zulasten der jüngeren Generationen passieren. (Pia Hüttl, Guntram Wolff, 15.12.2015)