"Stoppt das Töten", skandierten Demonstranten in der vergangenen Woche in der äthiopischen Verwaltungsregion Oromia.

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Addis Abeba – Äthiopiens Sicherheitskräfte sollen bei Protesten in den vergangenen Wochen mindestens 75 Menschen getötet haben. Wie die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch am Freitagabend in einem Bericht mitteilte, sollen bei Großdemos in der Verwaltungsregion Oromia zudem hunderte Menschen verletzt und mehrere Tausend vorerst in Haft genommen worden sein.

Zwar sind Proteste gegen die Zentralregierung in der Region – der mit Abstand größten und bevölkerungsreichsten im Land – kein neues Phänomen. Dass die Regierung diesmal aber mit besonderer Härte vorgeht, liegt nicht nur am Ausmaß, sondern auch dar an, dass die Demonstranten sich direkt gegen jene Entwicklungspläne wenden, die die Mächtigen in Addis Abeba als Kern ihrer Arbeit sehen – und als Legitimation dafür, dass sie mit autoritärer Härte und Gewalt gegen die Opposition vorgehen.

Schlechte Erfahrungen

Konkret geht es um ein Projekt, das jene Politik, die für kleinere Entwicklungsprojekte gang und gäbe ist, nun auch im Großen abbilden würde und das in Äthiopien schlicht als "Master Plan" bekannt ist: Um des rasanten Bevölkerungswachstums in der Hauptstadt Addis Abeba Herr zu werden, will die Regierung großangelegte Bauprojekte im Umland der Metropole starten. Sie argumentiert, nur so könne eine nachhaltige und planmäßige Entwicklung der Millionenstadt vorangehen, die als wirtschaftlich unverzichtbares Tor des Landes zur Welt gilt.

Die Planungen erstrecken sich auf Gebiete, die bisher Teil von Oromia sind. Dort müssten hunderttausende Kleinbauern enteignet werden, auf deren Land gebaut werden soll. Damit haben viele schlechte Erfahrungen: Bei bisherigen Enteignungen soll die Regierung Preise bezahlt haben, die nicht dem tatsächlichen Wert entsprechen. Viele Bauern arbeiten nun als Tagelöhner auf den Feldern, die ihnen einst gehörten.

Regierung: "Terroristen"

Äthiopiens Regierung spricht von bisher nur fünf Toten. Zudem seien mehrere Mitglieder der Sicherheitskräfte getötet worden. Die Demonstranten, denen Human Rights Watch weitgehende Friedfertigkeit attestiert, bezeichnet sie als Terroristen – wohl nicht ohne Strategie: Addis Abeba gilt als verlässlicher Partner des Westens im Kampf gegen die islamistische Al-Shabaab-Miliz im benachbarten Somalia. Auch Drohnen für den Kampf gegen Al-Kaida und IS im Jemen starten im ostafrikanischen Staat. (red, mesc, 20.12.2015)