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Eriwan/Baku/Moskau – Die beiden verfeindeten früheren Sowjetrepubliken Armenien und Aserbaidschan nähern sich nach Jahren ergebnisloser internationaler Vermittlungen wieder einer kriegerischen Auseinandersetzung. Eriwan meldete am Mittwoch den Einschlag von 2000 Artilleriegeschoßen an der sogenannten Kontaktlinie in Bergkarabach; 1700 sollen es zu Beginn der Woche gewesen sein.

Das aserbaidschanische Verteidigungsministerium in Baku gab an, die Armee habe mit 110 "Schlägen" auf Angriffe der armenischen Seite geantwortet.

Es gebe keinen Waffenstillstand mehr, sagte der Sprecher des Verteidigungsministers in Eriwan. "Was wir heute haben, ist ein Krieg", erklärte Artsrun Hovhannissian am Dienstag vor Journalisten. Die Verteidigungsminister beider Länder nahmen am Mittwoch an einer regulären Sitzung der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) in Moskau teil, einer losen Nachfolgeorganisation der Sowjetunion.

Armeniens Präsident Serge Sarkissian hatte zuvor Solidarität von den Mitgliedern der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit gefordert – eines Militärbündnisses von Russland und fünf ehemaligen Sowjetrepubliken, dessen Vorsitz Armenien turnusgemäß übernommen hat; Aserbaidschan gehört dem Bündnis nicht mehr an.

Um die Enklave Bergkarabach hatten die Kaukasusstaaten Armenien und Aserbaidschan Anfang der 1990er-Jahre einen Krieg geführt. Er endete 1994 mit einem Waffenstillstand, wobei Armenien sowohl die ehemals autonome Bergregion besetzt hielt als auch die umliegenden aserbaidschanischen Distrikte.

Zu Sowjetzeiten war Bergkarabach auch von Aserbaidschanern bewohnt. Die sogenannte Minsk-Gruppe – ein Vermittlertrio bestehend aus Russland, den USA und Frankreich – konnte bisher keine der beiden Seiten für einen Friedensplan gewinnen.

Schusswechsel an der Waffenstillstandslinie in Karabach, aber auch an der Grenze der beiden Länder sind seit 2014 häufiger geworden. Mittlerweile setzen beide Armeen aber schwere Artillerie ein. Die aserbaidschanische Seite soll auch großkalibrige Geschoße von 122 Millimetern auf armenische Stellungen feuern und Drohnen zur Luftaufklärung einsetzen.

"Status quo inakzeptabel"

Beide Länder melden nun regelmäßig den Tod von Soldaten; vier sollen es bisher im Dezember auf aserbaidschanischer Seite gewesen sein, zwei auf armenischer Seite unmittelbar vor einem ergebnislosen Treffen der Präsidenten beider Länder am vergangenen Samstag in Bern. Der Druck in der Karabach-Frage geht von Aserbaidschan aus.

Der Status quo sei inakzeptabel und instabil und müsse geändert werden, erklärte Außenminister Elmar Mammadijarow zu Beginn der Woche nach Angaben der Nachrichtenagentur Oxu in Baku. Die armenische Seite müsse dies begreifen. Der Außenminister betonte gleichwohl, sein Land sei zu Gesprächen bereit. Offen ist, wie sich Russland im Fall eines Militärkonflikts verhalten wird. (Markus Bernath, 24.12.2015)