Die sogenannten Slocum-Seaglider sind mit diversen Sensoren ausgestattet und können neben Wassertemperatur, Salzgehalt und Trübung auch biologische Daten erheben.

Foto: NOCS/Lavinia Suberg

Wien/Southampton – Rund 20 Meilen nördlich der Scilly-Inseln, die beim westlichen Eingang des Ärmelkanals liegen, pflügt die Cefas Endeavour durch den zunehmend rauen Atlantik. Das Forschungsschiff wird bald den Hafen aufsuchen müssen. Kein Problem, denn die Mission geht weiter.

Vor einigen Monaten hat die Besatzung zwei torpedoähnliche Gefährte über Bord gelassen: Zephyr und U194. Die beiden Tauchroboter, sogenannte Slocum-Seaglider, sind mit diversen Sensoren ausgestattet und können mehr als einen Monat lang selbstständig auf hoher See Daten sammeln – auch bei schwerem Sturm.

Kaum Betreuung notwendig

Ihre Wetterfestigkeit ist allerdings nicht der einzige Vorteil, der die Gleiter auszeichnet. "Der Einsatz eines Forschungsschiffs kostet etwa 25.000 Pfund (umgerechnet rund 34.000 Euro, Anm.) pro Tag", sagt Lavinia Suberg vom britischen National Oceanography Centre in Southampton (NOCS). Der Betrieb zweier Seaglider vom Typ Slocum dagegen schlägt nur mit 20.000 Pfund (rund 27.000 Euro) pro Woche zu Buche. "Diese Gleiter benötigen weniger Betreuung", sagt Suberg. Ein Pilot überwacht tagsüber alle zwei Stunden die Steuerungsdaten, die hierfür erforderliche Funkkommunikation läuft über eine Satellitenverbindung. Nachts lässt man die Geräte allein operieren.

Seit 2013 erproben Suberg und ihre Kollegen den Einsatz von Seaglidern in küstennahen Gewässern. Ihr Ziel ist ein verbessertes Monitoring mariner Ökosysteme. Die Tauchroboter messen nicht nur Wassertemperatur, Salzgehalt und Trübung, sondern sind auch in der Lage, biologische Daten zu erfassen. Mithilfe eines Spektrometers registrieren sie die Konzentration von Chlorophyll-alpha – ein Maß für die vorhandene Menge an Phytoplankton –, welches überwiegend aus einzelligen Algen besteht. Zusätzlich können die Gleiter auch mit Echolot oder akustischen Sensoren ausgerüstet werden. Letztere sollen Schallsignale von Meeressäugern einfangen. Das Echolot indes dient zum Aufspüren von Fischen und anderem schwarmlebenden Getier. Solche Meeresbewohner spielen in der Nahrungspyramide meist tragende Rollen.

Der Antrieb der Slocums basiert auf einem ausgeklügelten, energiesparenden Konzept. Sie verfügen nicht über Propeller- oder Düsenantrieb, sondern lediglich über ein elektrisches Pumpsystem, welches eine interne Kammer mit Meerwasser befüllt, wodurch der Gleiter sinkt. Nach einiger Zeit pumpt die Maschinerie das Wasser wieder hinaus, damit das Gefährt aufsteigt. Diese vertikalen Bewegungen werden durch zwei Flügel zu einem Gleitflug umgewandelt. Während des Pendelns erreichen die Seaglider eine horizontale Geschwindigkeit von 700 bis 1400 Meter pro Stunde – nicht schnell, aber gut für genaues Datensammeln.

Starke Gezeitenströme

Bei den ersten Einsätzen in der Keltischen See nahe den Scilly-Inseln gab es allerdings ein Problem. Die Gezeitenströme sind in diesem Meeresgebiet überaus stark. U194 konnte den geplanten Kurs nicht halten und driftete ins Flache ab. Wenn die Wassertiefe weniger als 50 Meter beträgt, lassen sich die Slocums kaum noch steuern, berichtet Suberg. Der Hintergrund: Die Gleiter bekommen beim Pendeln nicht mehr genug Schub, die Distanz zwischen oben und unten ist zu kurz. Das Forscherteam musste U194 bergen und weiter westlich wieder einsetzen.

Die Gezeitenfronten der Region sind für die Wissenschafter dennoch ein besonders lohnendes Ziel. Die dort vorherrschende Strömungsdynamik spült von April bis Oktober kaltes und nährstoffreiches Tiefenwasser in Oberflächennähe – und damit ans Licht. Für das Phytoplankton bieten sich infolgedessen ideale Wachstumsbedingungen. Die Mi-kroorganismen sind gleichwohl die Nahrungsgrundlage für Millionen Kleinkrebse, unter anderem der Art Calanus helgolandicus, die sich nun ebenfalls fleißig vermehren. Heringe und diverse andere Schuppenträger finden dadurch auch einen reich gedeckten Tisch vor, und der Fischreichtum wiederum lockt Meeressäuger an. Alle werden satt.

Die von den Gleitern gesammelten Daten bieten neue Einblicke in Grundlagen und Dynamik des Unterwassergeschehens. Ein Teil der Messwerte wird sogar alle zwei Stunden beim Auftauchen der Slocums an die Zentrale gefunkt. Die Ergebnisse vermitteln ein durchaus detailliertes Bild.

Während der ersten Testeinsätze der Tauchroboter vor den Scilly-Inseln ließ sich zum Beispiel eine sprunghafte Zunahme der Phytoplankton-Dichte ab einer Tiefe von etwa 40 Metern aufzeigen. Die Angaben stimmen zudem gut mit den gleichzeitig nach dem klassischen Verfahren vom Schiff aus gemessenen Werten überein (siehe Methods in Oceanography, Bd. 10, S. 70).

Der akustische Sensor an Bord der Zephyr registrierte mehrfach die typischen Klickgeräusche von Schweinswalen und die Lautäußerungen von noch nicht genauer identifizierten Delfinen. Interessante Details zeigten auch die Echolot-Profile von U194. "Unterschiedliche Tierarten zeigen unterschiedliche Signale, sagt Suberg.

Tierisches Plankton erscheint als diffuses Band zwischen 30 und 40 Metern Tiefe. Direkt über dem Meeresboden indes sind einige seltsame Spitzen erkennbar – vermutlich Schwärme von Eberfischen, meint Suberg. "Deren Häufigkeit scheint in der Keltischen See zuzunehmen." Vielleicht ist das eine Folge des Klimawandels, denn der Eberfisch ist eher eine südliche Spezies.

Weiße Haie im Visier

Inzwischen erproben die Meeresforscher auch den kombinierten Einsatz von Tauchrobotern und autonomen Oberflächengleitern. Letztere sammeln meteorologische Daten und machen Videoaufnahmen von allem, was an der Oberfläche passiert. Währenddessen beobachten die Slocums genau, was sich in der Tiefe abspielt. So wollen die Wissenschafter möglichst viele Wechselwirkungen erfassen.

US-amerikanische Kollegen setzen die Geräte sogar auf Weiße Haie und Pinguine an, um diesen bei ihren Streifzügen zu folgen. Die Entwicklung der Gleitertechnologie macht rasante Fortschritte, sagt Suberg. Und der Meeresforschung stehen damit spannende Zeiten bevor. (Kurt de Swaaf, 11.1.2016)