Wien – Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) wird zwar möglicherweise wegen der Bundespräsidentschaftskandidatur bald das Amt des Sozialministers zurücklegen, am Freitag hat er aber noch einen lange erwarteten Gesetzesentwurf vorgelegt: Künftig soll eine Ausbildungspflicht bis 18 gelten. DER STANDARD beantwortet die wichtigsten Fragen zu dem Vorhaben.

Frage: Wen betrifft die neue Ausbildungspflicht?

Antwort: Sie gilt grundsätzlich für alle Jugendlichen unter 18 Jahren. Wer die allgemeine Schulpflicht erfüllt hat, muss laut dem Gesetzesentwurf des Sozialministeriums entweder eine weiterführende Schule besuchen oder eine berufliche Ausbildung absolvieren. Als berufliche Ausbildung zählt sowohl die Lehre in einem Betrieb als auch eine überbetriebliche (also vom Staat organisierte) Lehrausbildung. Die Ausbildungspflicht gilt auch als erfüllt, wenn AMS-Maßnahmen im Ausmaß von mindestens 16 Wochenstunden besucht werden.

Bild nicht mehr verfügbar.

Die Pflicht zu einer Ausbildung wird künftig auch nach Ende der allgemeinen Schulpflicht bestehen.
Foto: dpa/müller

Frage: Um wie viele Betroffene geht es?

Antwort: Ursprünglich ging man von 10.000 Jugendlichen pro Jahr aus, die über keine weiterführende Ausbildung verfügen. Mittlerweile hat das Sozialministerium diese Zahl auf 5.000 nach unten revidiert.

Frage: Gibt es auch Ausnahmen von der Ausbildungspflicht?

Antwort: Ja. Zunächst gilt die Ausbildungspflicht erst dann als verletzt, wenn man länger als vier Monate keiner Ausbildung nachgeht. Nicht zur Anwendung kommt das Gesetz weiters in Phasen, in denen Jugendliche Kinderbetreuungsgeld beziehen, ein freiwilliges Sozialjahr oder den Präsenz- beziehungsweise Zivildienst leisten.

Frage: Wie soll überprüft werden, ob die Ausbildungspflicht erfüllt wird?

Antwort: Laut Gesetz sind zunächst die Eltern beziehungsweise Erziehungsberechtigten verpflichtet, Koordinierungsstellen zu verständigen, wenn ein Jugendlicher keiner schulischen oder beruflichen Ausbildung nachgeht. In jedem Bundesland soll eine solche Koordinierungsstelle eingerichtet werden, die sich um die Unterstützung der Jugendlichen kümmern soll. Gleichzeitig werden die Schulen, Lehrlingsstellen, das AMS und die Krankenkassen verpflichtet, die Daten von Jugendlichen, die eine Ausbildung beginnen oder beenden, an die Statistik Austria zu schicken. Darauf können die Behörden dann zugreifen.

Sozialminister Rudolf Hundstorfer will in jedem Bundesland Koordinierungsstellen einführen, die sich um die Einhaltung der Ausbildungspflicht kümmern sollen.
Foto: apa/Jäger

Frage: Was passiert, wenn man der Ausbildungspflicht nicht nachkommt?

Antwort: Die erwähnten Koordinierungsstellen sollen in solchen Fällen Kontakt zu den Jugendlichen und den Erziehungsberechtigten aufnehmen. In weiterer Folge soll gemeinsam mit den Betroffenen ein "Perspektiven- und Betreuungsplan" erstellt werden. Es soll also festgelegt werden, welche Art von Ausbildung am sinnvollsten wäre. Zuständig dafür ist – je nach Zielgruppe – das AMS oder eine Servicestelle des Sozialministeriums, wobei die Aufgabe in der Praxis an Beratungs- und Betreuungseinrichtungen übertragen werden kann.

Frage: Wann drohen Strafen?

Antwort: Zunächst: Geldstrafen drohen nur den Eltern, nicht den Jugendlichen. Sie können – wie bei Verletzungen der Schulpflicht – zwischen 100 und 500 Euro ausmachen, im Wiederholungsfall können sie auf 200 bis 1.000 Euro steigen. Die Geldbuße droht aber nur, wenn sich die Erziehungsberechtigten bewusst querlegen oder die Jugendlichen sogar daran hintern, Ausbildungsangebote wahrzunehmen. Scheitert es am "Einsichtsvermögen" der jungen Leute, liegt keine Strafbarkeit vor.

Frage: Was passiert, wenn ich trotz Ausbildungspflicht mit 16 einen Job als Hilfsarbeiter annehme?

Antwort: Dann leitet das Sozialministerium ein Prüfverfahren ein, ob die Beschäftigung gegen die Ausbildungspflicht verstößt. Zunächst werden die Eltern und die Jugendlichen zu einem Beratungsgespräch geladen. Wird dieser Einladung wiederholt nicht nachgekommen, gilt das Arbeitsverhältnis automatisch als nichtig. Auch wenn im Zuge des Prüfverfahrens herauskommt, dass die Tätigkeit nicht mit dem "Perspektiven- oder Betreuungsplan" vereinbar ist, wird diese für nichtig erklärt. Der Arbeitgeber kann diesen Jugendlichen dann also nicht mehr weiterbeschäftigen.

Frage: Warum möchte man nicht, dass die Jugendlichen als Hilfsarbeiter tätig sind?

Antwort: Weil ungelernte Arbeitskräfte das mit Abstand höchste Arbeitslosenrisiko haben. "Solche Beschäftigungsverhältnisse sind meist niedrig entlohnt und bieten kaum Chancen der persönlichen beruflichen Weiterentwicklung", heißt es dazu in den Erläuterungen des Gesetzesentwurfs.

Mit ÖVP-Chef und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner ist der Gesetzesentwurf noch nicht abgestimmt.
Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Frage: Ist der Entwurf mit der ÖVP akkordiert?

Antwort: Nein. Im Wirtschaftsministerium von Reinhold Mitterlehner (ÖVP) zeigte man sich am Donnerstag überrascht, dass Hundstorfer den Entwurf bereits ausgeschickt hat. Weitere Verhandlungen seien nötig. "Alleingänge zur eigenen Profilierung dienen nicht der Sache", heißt es. Auch in der Wirtschaftskammer wird bekrittelt, dass der Entwurf nicht den bisherigen Beratungen entspreche. Man könne nicht mit der Ausbildungspflicht starten, solange es im Bildungssystem nicht die entsprechenden Ausbildungsmöglichkeiten gebe. Kritisch wird in der ÖVP auch gesehen, dass Arbeitsverträge über Hilfstätigkeiten einfach für nichtig erklärt werden können. Und auch die Finanzierungsfrage (im ersten Jahr 22 Millionen, ab 2019 sogar 80 Millionen Euro) sei ungeklärt.

Frage: Ab wann soll das Gesetz gelten?

Antwort: Der Großteil soll bereits mit 1. Juli in Kraft treten. Es würde also für Jugendliche zur Anwendung kommen, die mit Ende des Schuljahrs 2015/16 ihre allgemeine Schulpflicht erfüllt haben. Der Paragraf zu den Sanktionen soll aber erst am 1. Juli 2017 in Kraft treten. (Günther Oswald, 8.1.2016)