Schnelles, fröhliches Essen in organisiert chaotischem Ambiente: das Miznon in der Schulerstraße hinterm Stephansdom.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Hier werden extraflaumige, speziell aus Israel importierte Pitas gefüllt.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Es geht ziemlich hoch her in der Schulerstraße 4, dem Ecklokal gleich hinter dem Steffl, wo über Jahrzehnte das – zuletzt arg verschmockte – Dombeisl zu finden war. Das feist biedere Interieur in Eiche neorustikal ist schon wieder Geschichte, stattdessen wird jetzt in minutiös angeranztem Shabby Chic auf eine Art getanzt, gefeiert und getrunken, dass man sich die Augen reibt. Die Musikanlage schiebt mit Funk, Oriental und saftigen Beats an, hinter der Budel wird zwischen Shots vom irischen Whiskey in fröhlichem Kauderwelsch aus Hebräisch, Deutsch und Englisch gescherzt, dazwischen brüllt eine zierliche Blondine mit prachtvollem Organ die Namen irgendwelcher Gäste durch den Raum – es wäre wegen der bestellten Sandwiches, die soeben aus der Küche kommen.

Herzerwärmend

Jung, fröhlich, direkt und verdammt animierend ist die Stimmung hier: Fühlt sich ganz und gar nicht wie Wien im Jänner an, sobald man durch die Tür kommt und von herzerwärmendem Chaos umspült wird: Auf den Regalen türmen sich Karfiol- und Krautschädel neben Erdäpfel- und Meersalzsäcken, im Küchenfenster reckt sich Lauch ans Licht der Straßenlampen, in der offenen Küche wuselt eine Vielzahl offensiv gut gelaunter Köche zwischen den Grills, Backrohren und Schneidbrettln hin und her.

Im Wesentlichen werden hier extraflaumige, speziell aus Israel importierte Pitas gefüllt. Aber wie: Betreiber Eyal Shani ist, wie im RONDO schon zu lesen war, in Tel Aviv ein hochgehandelter Kochstar, der die neoisraelische Küche quasi im Alleingang erfunden hat und mittlerweile eine Vielzahl von Lokalen betreibt. Das Wiener Miznon ist bereits das vierte seiner Art, im Gegensatz zu Shanis anderen Restaurants ist in diesen "Kantinen" Streetfood das Thema. Neben Pita als Portion oder, zum Durchkosten, als kleine "Scherzerl"- gibt es Teller, auf denen Gluten-Sensible etwa die Ratatouille mit hartem Ei und Tahina verkosten können. Sollten sich die anderen aber auch überlegen: Der Gemüsegatsch, rauchig aus dem Ofen kommend, vermählt sich mit dem kühlen Ei und der außerordentlich feinen Sesamcreme zur fantastischen Schweinerei, äh, Köstlichkeit.

Verunfallte Erdäpfel

Aber auch die "überfahrenen Kartoffeln" mit Dillrahm, nichts anderes als plattgewalzte Ofenerdäpfel, schmecken berückend. Im Ganzen goldbraun gebratener Karfiol mit ordentlich Meersalzkristallen, etwas Butter und Olivenöl ist mindestens so gut wie der andere Signature-Dish des Hauses, ein ganzer, blanchierter "Brokkoli-Baum", der auf einer Seite angegrillt und in knofelscharfe Sauce getaucht wird: Wahnsinn.

Wobei der Knoblaucheinsatz in der Miznon-Küche extra erwähnt werden muss: Zentraleuropäische Verdauungstrakte sind dem Vernehmen nach nicht immer so durchsatzstark im Bewältigen der rohen Knolle, wie das an den Ufern des östlichen Mittelmeers als Standard gelten darf. Speziell, wo sie hier auf gefinkelte Art mit allerhand Kräutern und Gewürzen kombiniert wird, sodass man erst im Nachhinein ("Hallo Schatz!") draufkommt, wie stark man sich imprägniert hat.

Aber egal, die Sandwiches sind es wert.

Chicken Spachtel zum Beispiel, mit etwas Zwiebel fein gecuttertes Hendl, das wie eine Crêpe hauchdünn auf den Grill gespachtelt, mit Kräutersalsa gewürzt und ins Brot gestopft wird. Oder Burger, medium rare gegrillt, mit gehackten Paradeisern der Extraklasse. Gequetschte Lammlaibchen und Steak (dünn aufgeschnitten, dennoch an der Zachheitsgrenze) profitieren von selbsteingesäuerten Gurken – so köstlich, dass man sie schüsselweise verdrücken möchte. Der Winter darf ruhig noch dauern, solang man sich an Essen wie diesem die Seele wärmen kann. (Severin Corti, RONDO, 15.1.2016)

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