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Eine Analyse der Statistik Austria hat ergeben: An chronischen Kreuz- und andere Rückenschmerzen leiden in Österreich etwa 1,8 Millionen Menschen.

Foto: AP/M. Spencer Green

Wien – Die Versorgung von chronischen Schmerzpatienten in Österreich verschlechtert sich zunehmend: Schmerzambulanzen werden geschlossen, die Wartezeiten für Magnetresonanz-Untersuchungen bei Gelenksproblemen dauern zu lange. In ganz Österreich gibt es nur 20 Kassen-Rheumatologen. Das erklärten am Dienstag Schmerz-Experten anlässlich der 15. Österreichischen Schmerzwoche bei einer Pressekonferenz in Wien.

"Unter den 'Top Ten' der chronischen Erkrankungen in der vor kurzem veröffentlichten Gesundheitsbefragung der Statistik Austria finden sich gleich mehrere schmerzhafte Leiden. An der Spitze liegen chronische Kreuz- und andere Rückenschmerzen mit 1,8 Millionen Betroffenen bzw. einer Häufigkeit von 23 Prozent bei Frauen und 26 Prozent bei Männern", erläutert der Präsident der Österreichischen Schmerzgesellschaft, Wolfgang Jaksch vom Wiener Wilhelminenspital.

Weitere besonders verbreitete chronische Leiden seien Nackenschmerzen und Beschwerden der Halswirbelsäule mit einer Häufigkeit von 19 Prozent unter den Befragten. Unter Arthrose leiden im Durchschnitt acht Prozent der Frauen und 15 Prozent der Männer. Besonders Gelenkschmerzen zählen zu den häufigsten gesundheitlichen Beschwerden: Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung über 50 Jahren leidet darunter.

"Massivste Defizite"

Zu den Hauptursachen für viele Formen von Gelenkschmerzen zählen steigende Lebenserwartung, bewegungsarmer Lebensstil, Fehlbelastungen und Übergewicht. Zudemhat sich gezeigt, dass zu viel Fettgewebe im Körper nicht nur durch Gewichtsbelastung die Gelenke schädigt – es bildet auch entzündungsfördernde Stoffe, Adipokine, die den Abbau der Knorpelsubstanz beschleunigen. Dies fördert die Entstehung von Arthrosen, genauso wie schlechte Gelenkführung bei Muskelschwäche, hoher Gelenksdruck durch Übergewicht und altersbedingte Verschleißerscheinungen, heißt es vonseiten der Österreichischen Schmerzgesellschaft.

Mit der medizinischen Versorgung der Millionen Betroffenen in Österreich ist es Jaksch zufolge schlecht bestellt: "Schmerzen müssen prinzipiell nicht schicksalshaft ertragen werden. Wir hätten tolle Weiterentwicklungen in der Schmerzmedizin. Das Recht auf die bestmögliche Schmerzmedizin ist in der österreichischen Patientencharta enthalten. Die Politik hat die Verantwortung, die Möglichkeiten zu schaffen. Wir haben aber in Österreich noch immer massivste Defizite."

Jaksch listete zu diesem Punkt auf: "Es werden Schmerzambulanzen reduziert. Es haben wieder Ambulanzen geschlossen oder das Angebot reduziert. Bei drei Stunden pro Woche ist das keine Schmerzambulanz mehr." Die entsprechenden Einrichtungen seien in Österreich immer nur die Initiative Einzelner gewesen. "Da es keinen Auftrag von oben gegeben hat, ist es jetzt leicht, das wieder abzudrehen."

Tagesklinische Betreuung

Ein beträchtlicher Anteil der jahre- und jahrzehntelang an Gelenksschmerzen leidenden Menschen weist rheumatologische Erkrankungen auf. An ihnen leiden in Österreich rund zwei Millionen Menschen oder etwa ein Viertel der Bevölkerung. Doch was der Hauptverband der Sozialversicherungsträger und die sozialen Krankenkassen in der jüngsten Vergangenheit bestritten haben, bestätigt auch Ex-SPÖ-Gesundheitsminister Michael Ausserwinkler, der jetzt in Kärnten als Rheumatologe arbeitet: "Es gibt wohl 130 Rheumatologen in Österreich, aber nur 20 haben einen Kassenvertrag." Das dränge die Patienten in den Privatbereich, was sich wohl nicht alle leisten könnten.

Auch der immer wieder von den Kassenverantwortlichen bestrittene Engpass bei den Magnetresonanz-Untersuchungen wurde von Ausserwinkler eindeutig bestätigt. Bei Patienten mit chronischer Polyarthritis sollte die Diagnose binnen sechs bis acht Wochen nach Beginn der Erkrankung "stehen". Doch neben Wartezeiten auf einen Rheumatologen-Termin existiere noch ein anderer Hemmschuh: "Das Zweite, was zusätzlich blockiert", seien die mangelnden Möglichkeiten für MR-Untersuchungen auf Kassenkosten. "Hier sind die Wartezeiten zu lang."

Rudolf Likar, Generalsekretär der Österreichischen Schmerzgesellschaft, und sein Team am multimodalen Schmerzzentrum am Klinikum Klagenfurt haben belegen können, dass sich die Symptome von Patienten in einer solchen Institution zu einem Großteil so gut tagesklinisch behandeln lassen, dass die Betroffenen wieder in den Arbeitsprozess zurückkehren können. Leider kämen sie oft viel zu spät. An eine Ausweitung des Angebots für nicht mehr Berufstätige wird gedacht. (APA, red, 19.1.2016)