Auf der Seilerstätte wird zu noblen Alkoholika gesnackt – fast wie in Ostasien.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Die "Appetizer-Platte" für zwei überzeugt unter anderem mit kurz gegrilltem Yellowtail, wunderbar würzigem Bambus oder zart angesäuertem weißen Rettich.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Das Momoya in der Börsegasse war in einer früheren Inkarnation als "Tokyo" einer der ersten Japaner des Landes. Dann versank die Adresse über Jahre unterhalb der Wahrnehmungsgrenze, seit der Neuübernahme durch Familie Chen vor drei Jahren hat sich das geändert. Dank echtem Teppanyaki (gibt es sonst nur noch im Unkai) – und wegen des aus Singapur gebürtigen Küchenchefs auch dank südostasiatischer Wok-Küche. Achtung: Der Mann ist zwecks Weiterbildung noch bis April auf Heimaturlaub.

Mit dem Junn auf der Seilerstätte haben die Chens jetzt ein weiteres Standbein in der Innenstadt. Im Gegensatz zum Momoya soll der Fokus hier auf die in Ostasien beliebte Kombination aus Hochprozentigem und Küche gelegt werden, mit Portionen in Häppchengröße und Drinks, die rasant in richtig luxuriöse Gefilde entführen.

Blue Label zum Beispiel, die Luxusedition von Johnny Walker, geht um 23 Euro für 4 cl über die Theke. Es gibt auch raren Yoichi Single Malt aus Japan, japanischen Ryoma-Rum, Don Julio Tequila oder genuin ostasiatische Köstlichkeiten wie Tantakatan (Schnaps aus Shiso-Blättern), hochgradig gewöhnungsbedürftigen Mao Tai (Feuer!) oder koreanischen Soju-Branntwein aus Reis. Cocktails sind auch ein Thema, einstweilen scheinen die interessant klingenden Drinks (Bloody Osaka Mary mit Wasabi, Tonkatsu-Sauce und Chili-Wodka) jedoch noch nicht stark nachgefragt zu werden.

Aber die Bude rennt, die Happen sind so gestaltet, dass sie zum Aperitif mit Gewinn genossen werden können. Bis man dann irgendwann so viel geordert hat, dass man eh nicht mehr weiterwill.

Verdammt gute Gyoza zum Beispiel, mit hauchdünner, knusprig angebratener Hülle und fein balancierter Fülle. Oder Ura Maki mit Softshell Crab, knusprig und doch saftig frittiert, dazu Avocado (bio!?) und gerösteten Sesam, um gerade einmal 6,50 Euro – richtig gut. Oder die wirklich nette Kumeracado Roll, eine ziemlich südseeduftige mit Kokos, knuspriger Süßkartoffel und Lachs zusammengebastelte Freundlichkeit, wieder mit guter Avocado.

Wantan Soup ist auch eine Empfehlung, eine zarte, mit gutem Gemüse und, vor allem, herrlich schlotzigen Garnelen-Hendl-Taschen angereicherte Brühe – leicht, erfrischend, mild und doch irgendwie unanständig. Klassisches Sushi gelingt weniger gut, da drängt sich der ungenau gegarte Reis zu sehr in den Vordergrund. Dafür machen die Bao-Burger mit gedämpftem Germteig und Füllungen aus geschmortem Schwein oder knuspriger Ente Freude – eine scharfwürzige Salsa wäre dazu aber nicht verkehrt.

Appetizer-Platte

Kushiyaki, kleine Spieße, gelingen mal sehr, dann wieder weniger gut. Mit Kreuzkümmel gewürztes Lamm ist wunderbar, scharfes Sesam-Rind detto, auch die Meerwasser-Garnelen – dass Lachs allem Anschein nach im Fritter gegart und erst hinterher aufgespießt wird, war aber nicht ausgemacht.

Vorspeisenplatten bestehen allzu oft aus mutlosen Arrangements fader Friteusen-Bewohner, bei der "Appetizer-Platte" für zwei (siehe Bild) ist das aber gar nicht so: Kurz gegrillter Yellowtail mit Kräutern, wunderbar würziger, knackiger Bambus oder zart angesäuerter weißer Rettich machen ebenso Freude wie das Tataki von Tunfisch, Lachs und Avocado mit knackig platzendem Flugfisch-Rogen. Wer sich die luxuriösen Spirits dazu sparen will, kann zumindest ein koreanisches Hite-Bier versuchen. Ist zwar hart an den Gefrierpunkt gekühlt, punktet dafür mit erheblichem Exoten-Bonus. (Severin Corti, RONDO, 5.2.2016)