Szene aus "Crazy, Stupid, Love": Cal (Steve Carel) bekommt von Jacob (Ryan Gosling) Flirttipps, Cals 13-jähriger Sohn stellt unablässig seiner Babysitterin nach.

Foto: 2010 Warner Bros. Entertainment Inc.

Was vor der Kinoleinwand vielleicht eine Träne der Rührung provoziert, kann im echten Leben durchaus als bedrohlich empfunden werden. Ein bisher stiller Verehrer steht plötzlich mit CD-Player und kleinen Plakaten, auf denen er eine rührende einseitige Liebesgeschichte erzählt, vor der Wohnungstür. Kurz davor entdeckt die betroffene Frau, dass er sie bei ihrer Hochzeit mit der Kamera unablässig verfolgt hat. Diese Szenen kennen viele aus der Komödie "Love Actually" (2003). Sie sollen romantisch sein, Angst oder Unbehagen löst dieses Vorgehen bei der angebeteten Keira Knightley nicht aus.

Duc Johnny

Anderes Beispiel: Ein 13-jähriger Bursche aus dem Film "Crazy, Stupid, Love" (2011) hört auch dann nicht auf, der etwas älteren Babysitterin seine Liebe zu gestehen, als diese ihn schriftlich bittet, damit aufzuhören. Letzten Endes schickt sie ihm Nacktfotos von sich, um ihm zu zeigen, dass er erwachsen genug ist, um sie zu daten.

Sie wollen doch erobert werden

Eine Studie konnte nun zeigen, dass solche romantisierten Darstellungen von Stalking die Toleranzgrenzen im echten Leben verschieben und sich auf die Wahrnehmung von Stalking als Verbrechen auswirken. Jene Teilnehmerinnen der Studie, die Filme sahen, in denen hartnäckige Annäherungsversuche von Männern als romantisch verpackt wurden, schenkten Mythen über Stalking eher Glauben. "Stalking kann vermieden werden, indem man von Anfang an klar auftritt", lautet etwa so ein Mythos. Oder: "Viele angebliche Opfer von Stalking geben sich nur hartnäckig, wollen aber letztlich doch erobert werden." In romantischen Komödien wird unablässiges Anmachen oft mit einer überbordenden Verliebtheit begründet.

Julia Lippman von der Universität Michigan befragte für ihre Studie ausschließlich Frauen, sind sie doch mehrheitlich die Konsumentinnen von romantischen Komödien. Sie haben auch auf die Ahndung von Stalking Einfluss. Rund 3,4 Millionen US-AmerikanerInnen werden jährlich Opfer von Stalking, 78 Prozent davon sind Frauen und 87 Prozent der Täter sind Männer, berichtet die "Huffington Post". Frauen würde vermittelt, eine gewisse Hartnäckigkeit von Männern zu wollen, kritisiert Lippman. Wenn diese Beharrlichkeit aber beängstigende Ausmaße annimmt, kommt diese "Sozialisation zurück und beißt dich", so Lippman gegenüber der "Huffington Post".

Grenzen verschwimmen

Wird in Filmen vermittelt, Stalking sei schmeichelhaft, und die Rezipientinnen diese Einschätzung übernehmen, wird es laut Lippman auch schwerer, im echten Leben klare Grenzen aufzuzeigen.

Dass Verhaltensanleitungen tatsächlich direkt aus Filmen bezogen werden, zeigte im letzten Jahr ein Fall in Australien: Ein Täter verteidigte sich vor Gericht zwar nicht mit einer romantischen Komödie, von der er sich sein schonungsloses Nachstellen abschaute. Aber Bollywood-Filme hätten ihm gezeigt, dass dies der einzige Weg sei, eine Frau zu finden. (beaha, 3.2.2016)