Durham – Das Kinn ist eines der körperlichen Merkmale, die den Menschen von anderen Primaten unterscheiden. Selbst der Neandertaler hatte eher ein senkrechtes als ein hervorragendes Kinn. Doch warum es sich bei Vertretern von Homo sapiens ausgebildet hat, darüber rätseln Forscher seit langem. Dient es als Sexualsignal? Oder schützt es die Kehle? US-Wissenschafter um James Pampush weisen in der Fachzeitschrift "Evolutionary Anthropology" alle bisherigen Annahmen zurück.

Eine der bislang wichtigsten Thesen lautete, dass das Kinn eine Anpassung an das Kauen ist und hilft, die dabei auftretenden Kräfte besser zu verteilen. Pampush und seine Kollegen konnten allerdings nachweisen, dass ein nach vorne weisendes Kinn die Situation eher verschlimmert. Diese Erklärung dürfte also nicht zutreffen.

Dass das Kinn ein sexuelles Signal darstellt, sei ebenso wenig plausibel. "Wäre das tatsächlich der Fall, dann wäre der Mensch das einzige Säugetier, bei dem sich bei beiden Geschlechtern der selbe 'Schmuck' entwickelt hätte", meint Pampush. Schließlich wurde auch noch spekuliert, dass das Kinn als Gesichtsschutz dienen könnte – doch auch das scheint unnötig, weil sich Menschen eher nicht so regelmäßig ins Gesicht schlagen. (red, 2.2.2016)