Eine Langschwanz-Riesenratte wird mit einem Old-School-Tracker versehen: einem Faden, der sich abwickelt, wenn sie davonläuft.

Foto: Oliver Wearn
Foto: Oliver Wearn

London – Ratten haben sich mit unfreiwilliger Hilfe des Menschen über nahezu die gesamte Welt ausgebreitet und sind vielerorts – insbesondere auf Inseln – gefürchtete Bioinvasoren, die die lokalen Ökosysteme schädigen. Das gilt sowohl für die braunen Wanderratten (Rattus norvegicus) als auch die schwarzen Hausratten (Rattus rattus). Auf Letztere haben Forscher des Londoner Imperial College einen genaueren Blick geworfen.

Ratten sind so notorisch vielseitig, dass man es kaum für möglich hält, dass es auch Lebensräume gibt, die ihnen nicht zusagen. Dazu zählen alte Wälder mit entsprechend hohen Bäumen. Der Grund: Unter dem Blätterdach der pflanzlichen Riesen ist wenig Licht und Platz für kleinere Pflanzen, die den Ratten in Bodennähe Deckung spenden würden. Das herabgefallene Laub raschelt zudem verräterischer, als es den darüber hinweghuschenden Ratten lieb wäre.

Der Weg ist frei

Aber einmal mehr profitieren die kleinen Nager von ihrem besten Wegbereiter, dem Menschen. Wo abgeholzt wird, breiten sich bald auch Hausratten aus. Das Forscherteam um Rob Ewers hat entsprechende Effekte auf Borneo festgestellt und berichtet darüber in der Fachzeitschrift "Biotropica".

Bislang bewohnten die auf Borneo eingeschleppten Hausratten vor allem urbane Regionen. Aufgrund von Abholzungen breiten sie sich inzwischen aber auch auf die Ränder von Regenwäldern aus: Liegengebliebenes Holz und der niedrige Nachwuchs behagen ihnen.

Das sind nicht zuletzt für ihre Verwandten schlechte Nachrichten: Langschwanz-Riesenratten und ähnliche Arten sind natürliche Wald- und Baumbewohner. Durch Abholzungen wird nicht nur ihr Lebensraum verkleinert und zersplittert, nun kommt in Form der Hausratte auch noch Nahrungskonkurrenz eingewandert.

Im Waldlabyrinth

Um zu messen, wie gut Ratten in den Abholzungszonen zurechtkommen, fingen die Forscher Ratten aus vier Spezies, drei einheimischen sowie der eingeschleppten Hausratte. Um die Bewegungen der Tiere zu verfolgen, griff man zu einem Mittel, das etwas antik wirkt: Den Ratten wurde eine Spule mit einem Baumwollfaden auf den Rücken geklebt (verwendet wurde dabei ein Kleber, der den Tieren nicht schadet und sich nach einiger Zeit auflöst).

Beim Freilassen der Tiere spulte sich der Faden ab und man konnte im Ariadne-Stil ihre Wege nachverfolgen. Es zeigte sich, dass sich die Verstecke der Hausratten bevorzugt an Orten befanden, an denen Holz geschlagen worden war. Und dass sie diese Zonen deutlich stärker besiedeln als die einheimischen Waldbewohner.

In weiteren Untersuchungen wollen die Forscher messen, wie stark diese Rattenpopulationen wachsen und welche Auswirkungen sie auf das ohbehin schon durch die Abholzungen angegriffene Ökosystem haben. (red, 8. 2. 2016)