Wien/ Genf – "Ein so deutliches Signal hätten wir uns in unseren kühnsten Träumen nicht auszumalen gewagt", zeigten sich der am Nachweis von Gravitationswellen beteiligte österreichische Physiker Sascha Husa von der Universität der Balearen in Palma de Mallorca begeistert. Auch Reinhard Prix vom Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in Hannover meinte, man sei vom Signal regelrecht "überrumpelt" worden.

Husa und seine beiden Kollegen Patricia Schmidt vom California Institute of Technology und Michael Pürrer vom Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in Potsdam beschäftigen sich schon mehrere Jahre mit den Signalen verschmelzender Schwarzer Löcher, wie sie nun beobachtet wurden. Diese direkte Beobachtung ist nur möglich, wenn die Masse der Schwarzen Löcher hoch genug ist. "Mit zwanzig Sonnenmassen wären wir schon sehr zufrieden gewesen", so Husa. Dass die beiden verschmelzenden Schwarzen Löcher über 60 Sonnenmassen hatten und das Signal so deutlich ausgefallen sei, "hätten wir uns in unseren kühnsten Träumen nicht auszumalen gewagt".

Erfolg noch vor offiziellem Start

Prix verwies darauf, dass das Signal noch kurz vor dem offiziellen Start des aufgerüsteten Ligo-Detektors beobachtet wurde, die Detektoren seien dabei aber schon voll funktionstüchtig gewesen. Zudem habe sich das erste Signal gleich als physikalisch "sehr reichhaltig" herausgestellt. So habe man in den Daten sogar das "Ausklingen" des beim Verschmelzen entstandenen Schwarzen Lochs sehen können, wie von der allgemeinen Relativitätstheorie vorhergesagt. "Die Ära der Gravitationswellen-Astronomie ist also schon mit dieser ersten direkten Beobachtung von Gravitationswellen voll durchgestartet", sagte Prix.

"Dass unser erstes Signal gleich vom Verschmelzen zweier Schwarzer Löcher stammt, ist ein Traum", sagte Patricia Schmidt. Denn das erlaube das direkte Erforschen dieser faszinierenden Objekte selbst, "denn Gravitationswellen sind wie Fingerabdrücke: Sie erlauben uns Rückschlüsse auf physikalische Eigenschaften wie Masse und Eigendrehimpuls zu ziehen, was wiederum bedeutende Auswirkungen für das Verständnis des Ursprungs und der Geburt Schwarzer Löcher hat."

Keine "blind injection"

Gernot Heißel glaubte zunächst, dass es sich bei dem Signal um eine sogenannte "blind-injection" handle, ein heimlich eingespeistes künstliches Signal, das als ausgeklügeltes Qualitätssicherungssystem immer wieder die Aufmerksamkeit der Wissenschafter testet.

An der Fakultät für Physik der Uni Wien genoss man den Moment der Verlautbarung des erstmaligen Nachweises von Gravitationswellen eher still. "Wir sind nicht wie die amerikanischen Kollegen aufgesprungen und haben applaudiert", sagte der theoretische Physiker Peter Christian Aichelburg.

Den Forscher hat vor allem überrascht, dass das registrierte Ereignis in derart großer Entfernung von 1,3 Milliarden Lichtjahren stattgefunden hat. Die Aufzeichnung der Signale bezeichnete Aichelburg als "beeindruckend, sie passen außerdem sehr gut mit den Rechnungen zusammen – das ist das Wichtigste, um zu wissen, was das eigentlich für ein Signal ist. Das ist nun ein großer Erfolg und es besteht die große Hoffnung, dass sich ein neues Fester zum Weltall öffnet", so der Forscher weiter.

Zurückhaltung an der TU

Etwas zurückhaltender gab sich Herbert Balasin vom Institut für theoretische Physik der Technischen Universität (TU) Wien: Von einem Startschuss für die Gravitationswellenastronomie könne aufgrund einer solchen Beobachtung noch nicht unmittelbar die Rede sein. Problematisch sei etwa der Anspruch, eine solche Messung zu wiederholen. "Wir müssen hier leider warten, bis uns etwas geliefert wird, und wann das der Fall ist, wissen wir nicht", sagte der Forscher.

Trotzdem hält Balasin den direkten Nachweis von Gravitationswellen für "eine gewaltige Leistung". "Ob es der nächste Nobelpreis wird, weiß ich nicht, aber es ist auf jeden Fall nobelpreiswürdig", erklärte auch Aichelburg.

Freude auch am Cern

Auch Manfred Krammer, Forschungsleiter am Europäischen Labor für Teilchenphysik Cern, bezeichnete den erstmaligen direkten Nachweis von Gravitationswellen als "riesige Entdeckung". Es zeige sich hier einmal mehr, dass es für neue Erkenntnisse in verschiedenen Bereichen der Physik viele Wissenschafter, viel Zeit und Ressourcen brauche.

Auch wenn die Gravitationswellen in Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie schon vor 100 Jahren vorhergesagt wurden, war es gestern angesichts der Tatsache, "dass sie nun so eindeutig nachgewiesen wurden, ein ganz aufregender Tag für die Physik". Das erklärte der österreichische Leiter des Departments für experimentelle Physik am Cern in Genf.

Auch wenn das Cern nicht in die Experimente zum Nachweis der Wellen involviert war, habe die Verkündung der am Gravitationswellen-Observatorium Ligo in den USA gemachten Beobachtung am Donnerstag auch die Teilchenphysiker in Genf in den Bann gezogen. "Das Hauptauditorium war gestern übervoll. Wir hatten zum Glück auch einen der prominenten Vertreter des Ligo-Experiments bei uns zu Gast, der nach der Pressekonferenz in einem Seminar die Entdeckung für Physiker erklärt hat. Der konnte nachher kaum weg. Ich glaube, er wurde dann mehr als zwei Stunden lang mit Fragen gelöchert", beschrieb Krammer die Stimmung unter den Forschern.

Neues Teilgebiet der Physik

Da das Signal so noch vor dem Start des verbesserten Ligo-Systems am 14. September sehr deutlich registriert wurde, könnte es sich hier tatsächlich um einen kleinen Startschuss für ein neues Teilgebiet der Physik – der Gravitationswellen-Astronomie – handeln. "Man kann erwarten, dass solche Events jetzt regelmäßig gemessen werden können, und das öffnet ein neues Fenster ins Universum", so die Einschätzung des früheren stellvertretenden Direktors des Instituts für Hochenergiephysik (HEPHY) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Wien.

Dass an der Entdeckung – und damit auch an der wissenschaftlichen Veröffentlichung dazu – mehr als tausend Wissenschafter beteiligt waren, spiegle einen "typischen Trend" wider. Krammer: "Auch uns Teilchenphysikern wird immer vorgeworfen, dass wir Publikationen mit mehr als 1.000 beteiligten Forschern veröffentlichen. Aber so ist die moderne, international vernetzte Forschung." Um solche Experimente zu realisieren und so genau zu messen, "braucht es viele Physiker über viele Jahre. Für moderne Grundlagenforschung an den Grenzen des Machbaren bedarf es eines großen Aufwands. Salopp gesagt: Die einfachen Sachen wurden schon gemacht." (APA, red, 12.2.2016)