In "Across, not Over" wird im Gegensatz zu touristischen Folklorepräsentationen oder schwindligen Stilmischungen auch der ästhetische Kolonialismus thematisiert.


Foto: Pravin Kannanur

Wien – Von dem gängigen westlichen Klischee, der Tanz sei eine universale Sprache, hält die Choreografin Preethi Athreya nichts. Vor einigen Jahren war sie mit ihrem Solo Porcelain Festivalgast in Wien, am Wochenende schließt ihr Stück Across, not Over die von Impulstanz organisierte Reihe [Trans]Asia Portraits im 21er-Haus.

Traditionen

Athreya ist eine zeitgenössische Tänzerin und Choreografin aus der indischen Stadt Chennai, dem ehemaligen Madras. Ausgebildet in Bharatanatyam, dem südindischen einstigen Tempeltanz mit mehr als 2000-jähriger Tradition, und am Londoner Laban Centre, hat sie für Across, not Over den Tänzer Vikram Iyengar zur Zusammenarbeit eingeladen.

Iyengar lebt und arbeitet in Kalkutta. Der Spezialist für den nordindischen Kathak-Tanz ist selbst Choreograf, außerdem Kurator und Leiter eines Performancekollektivs.

Gegenwartstanz

Athreya und Iyengar halten sich nicht mit einer musealisierenden Reproduktion des klassischen Kathak auf, sondern versuchen, ihr kulturelles Erbe in Konfrontation mit Formen des Gegenwartstanzes neu zu erschließen.

Aus der Dekonstruktion des traditionellen Bewegungsvokabulars entsteht so die Grundlage für eine neue Form der Tanzkunst. Diese Experimente sind heute von besonderer Bedeutung, weil unter "zeitgenössischen" Kunstformen immer noch solche dominieren, die von westlichen Ästhetiken abgeleitet wurden.

Die Folgen des alten ästhetischen Kolonialismus können am besten aufgehoben werden, wenn jeder nichtwestliche Kulturraum seine eigene Zeitgenos- senschaft entwickelt. Kuratierungen wie die [Trans]Asia Portraits sind – im Gegensatz zu touristischen Folklorepräsentationen oder schwindligen Stilmischungen – geeignet, genau diesen Prozess zu fördern und auch hierzulande sichtbar zu machen. (Helmut Ploebst, 12.2.2016)