"Ausgehungerte" Ortskerne wiederzubeleben, das hat sich eine Petition der IG Kultur zum Ziel gesetzt.

Foto: Martin Grabner

Die Leerstandsdiskussion in Österreich ist ein Evergreen. Wieder einmal gibt es eine Petition der IG Kultur, die zum Ziel hat, gewerblichen Leerstand transparent und somit zugänglicher zu machen – für Zwischennutzungen, für Kunstateliers, für diverse kulturelle Bespielungen. Aktuell steht man bei rund 1000 Unterschriften, demnächst soll das Thema im Parlament behandelt werden.

Meldepflicht

"In Deutschland und in der Schweiz gibt es bereits ein Paket an guten Maßnahmen, die unter anderem eine Meldepflicht und eine Steuer auf Leerstand beinhalten", erklärt Willi Hejda, Obmann der IG Kultur. "Zudem gibt es einen klaren Privatisierungsstopp von öffentlichen Immobilien. Es wäre dringend an der Zeit, dass sich auch die österreichische Politik mit diesen internationalen Bewegungen in der Immobilienbranche auseinandersetzt."

Erst unlängst forderte die Salzburger Raumordnungsreferentin Astrid Rössler (Grüne) als Reaktion auf die grassierende Wohnungsnot in Salzburg eine Abgabe auf leerstehende Wohnungen. In der SPÖ fand sie einen Verbündeten. Diese wünscht sich sogar, dass die Abgabe "wehtut".

"Gerade in Zeiten der Flüchtlingsthematik ist die Frage, wie wir den Immobilienleerstand zugänglich machen können, für mich dringlicher denn je", meint Karin Wallmüller, Architektin, Ortsbild-Sachverständige und Leiterin des steirischen Onlineportals gat.st. "Die Ortskerne und Innenstädte waren früher das gesellschaftliche Rückgrat unserer Städte. Dank gravierender Fehler im Bereich Raum- und Stadtentwicklung in den letzten Jahrzehnten sind diese Ortskerne heute ausgehungert." Den aktuell enormen Wohnraumbedarf könnte man zum Anlass nehmen, den Ortskernen eine Revitalisierungsspritze zu verpassen. "Die halbe Mur-Mürz-Furche steht leer, da gibt es gravierenden Handlungsbedarf."

Sichtbare Konsequenzen

Welche Auswirkungen der Leerstand auf die (noch) bestehenden Ortskerne unter anderem in der Steiermark hat, zeigt Ulli Gladiks erfolgreicher Dokumentarfilm "Global Shopping Village", der ab 4. März als DVD im Handel erhältlich sein wird. Auf der einen Seite werden wunderbar florierende Einkaufs- und Fachmarktzentren gezeigt, wie etwa die Arena in Fohnsdorf. Andererseits macht der Film die Konsequenzen sichtbar: Leerstand in Judenburg, Spielberg und Knittelfeld, so weit das Auge reicht.

"Ich habe den Eindruck, dass man den kausalen Zusammenhang zwischen Shopping-Agglomerationen im Speckgürtel und ausgestorbenen Innenstädten bereits begriffen hat, aber anscheinend fehlt in der Raumordnungspolitik der Wille, dem entgegenzuwirken", so Gladik zum Standard. "Und das ist sehr tragisch, denn der öffentliche Raum am Land verkommt immer mehr zu einem Nichtraum, den man nur noch mit dem Auto durchfährt." Neben den omnipräsenten Wettcafés seien es vor allem die Ateliers, die Bürokollektive, die temporären Installationen, die in der Lage wären, wieder mehr Frequenz ins Zentrum zu bringen.

Transparentmachung notwendig

"Lustigerweise", so Gladik, "ist es auch ausgerechnet der Onlinehandel, der dem Ortszentrum nach und nach wieder ein Revival beschert, denn die Menschen erkennen, dass sie nicht wegen jeder Schraube und jeden Buchs eine halbe Stunde im Auto sitzen, sondern kleinere Einkäufe auch lokal machen wollen." Auf dem Portal branchenfrei.at, eine Art Thinktank für Stadtverdichtung und Revitalisierung, sind einige Beispiele zu finden, wie Nachnutzung leerstehender Gewerbeflächen konkret aussehen kann.

Eines der prominentesten Beispiele für Zwischen- und Nachnutzung ist dabei das "Packhaus" in der Wiener Marxergasse. Dass die jederzeit kündbare Miete dort mittlerweile 13 Euro/m² beträgt, wie aus internen Kreisen zu erfahren war, ist eine Schattenseite, die auf die Dringlichkeit der Transparentmachung und somit der aktuellen Petition hinweist. (Wojciech Czaja, 20.2.2016)