Heiterkeit des Misstrauens: Volksoperndirektor Robert Meyer (als Metternich, Zweiter von links) und seine etwas angespannten Gäste.


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Wien – Genesis einer Operettenuraufführung anno 2016: Es war einmal der charmante Film Der Kongress tanzt von Erik Charell aus dem Jahr 1931. Hierfür steuerte der ehemalige Ufa-Generalmusikdirektor Werner Richard Heymann zweieinhalb Nummern bei, die im Ohr blieben: so etwa Das gibt's nur einmal und, unter Zuhilfenahme eines Josef-Strauß-Walzers, Das muss ein Stück vom Himmel sein.

Wie nun aus diesem wenigen an Gesang eine Operette machen? Erst einmal wurde Christian Kolonovits beauftragt, aus der Tonspur des Films die Orchesterstimmen zu rekonstruieren – was ihm hervorragend gelang. Als zu Beginn der Orchestergraben hochfuhr und die in weiße Sakkos gekleideten Musiker ein Heymann-Medley spielten, glaubte man sich in den 1930ern. Da zweieinhalb Nummern für eine Operette aber eher karg sind, wurden 14 weitere Lieder Heymanns implantiert, was sich als mal mehr (Es führt kein andrer Weg zur Seligkeit) und mal weniger (Hoppla, jetzt komm ich) bereichernd herausstellte und oft etwas aufgepfropft wirkte (etwa Metternichs Heut' gefall ich mir). Trotz der zusätzlichen Musiknummern erinnerte die Unternehmung im ersten Akt mehr an Sprechtheater mit Gesangsunterbrechungen (Bühnenfassung: Michael Quast und Rainer Dachselt).

Als Regisseur wurde von Volksoperndirektor Robert Meyer Robert Meyer engagiert, der die Darstellung des Fürsten Metternich wiederum Robert Meyer anvertraute. Eva-Maria Schwenkel baute Regisseur Meyer ein Bühnenbild, das auf der Drehbühne nach dem Wetterhäuschenprinzip aparte Requisiten vorführte, Gertrude Rindler-Schantl schneiderte für die europäischen Diplomaten und Potentaten fantasie- und farbenprächtige Kostüme.

So durfte etwa Franz Suhrada den schmucken polnischen Gesandten darstellen; trotz der drohenden Teilung seines Landes blieb Suhrada physisch unversehrt. Marco Di Sapia gab einen vorteilhaft an Matthew McConaughey erinnernden Talleyrand, Ildiko Babos war eine verführerische Comtesse. Bühnenpräsenz demonstrierte Regula Rosin als Fürstin, Fritz von Friedls Bürgermeister von Wien evozierte Parallelen zum gegenwärtigen Amtsinhaber. Die im Film von Paul Hörbiger in engen Hosen ausgefüllte Rolle des Heurigensängers übernahm Agnes Palmisano und interpretierte sie mit Rock, Charme und charakteristischem Timbre.

Thomas Sigwald war als Bibikoff ein knallchargierender Adjutant des Zaren, Michael Havlicek ein lieber, etwas knödelig singender Geheimsekretär Pepi. Grundsätzlich erwies sich die Kombination von verstärkten Opernstimmen und Big-Band-Sound als suboptimal. Boris Eder trug als Zar Alexander eine Comicfigurfrisur und spielte sein eigenes Double, den Uralsky, slapstickhaft. Die schöne Handschuhverkäuferin Christel, um die sich hier alles Amouröse dreht, gab Anita Götz – man wusste nur nicht recht, warum. Wahrscheinlich, um durch ihren ruppigen Roseanne-Barr-Charme einen Gegensatz zum elfenhaften Wesen der Film-Christel von Lilian Harvey zu schaffen. Begeisterung. Ob der 1961 verstorbene Heymann himmlische Freuden erlebte, blieb ungeklärt. (Stefan Ender, 22.2.2016)