Die Kleinbauern Daniel Alvez (im Bild) und seine Frau Osvalinda haben sich mit den Holzbaronen im Amazonas angelegt.

Foto: Sandra Weiss

Würde man einen Kleingärtner an den Amazonas schicken, würde es wohl so aussehen wie bei Daniel und Osvalinda Alves: Blumen an der Auffahrt, dazwischen ein paar Bienenstöcke, Bananenstauden; Vögel und Schmetterlinge geben sich ein Stelldichein. Die Lehmpiste ist sauber gefegt, die weißen Kacheln des kleinen Häuschens sind blitzblank. Was die Eltern zweier erwachsener Töchter in 15 Jahren im kargen Boden des Amazonas geschaffen haben, mutet an wie ein Garten Eden.

"Als wir 2001 von der Landreformbehörde Incra die 100 Hektar zugeteilt bekamen, gab es in Areia nur Wald und Steine", erinnert sich der 44-jährige Daniel. Das, was er in seiner südbrasilianischen Heimat anzubauen gelernt hatte, Bohnen und Mais, wuchs nur spärlich und wurde immer wieder von Parasiten befallen. Vom Staat kam keine Hilfe, bis heute haben die Familien noch nicht einmal einen Landtitel. "Die haben uns hierher verpflanzt und uns dann unserem Schicksal überlassen", sagt Alves. Deswegen wurde er gleich hellhörig, als vor sechs Jahren die von Misereor unterstützte Landpastorale (CPT) Kurse vermittelte, in denen es um Agroforstsysteme und tropische Obstbäume geht. "Das System leuchtete mir ein, denn da muss man nur einmal pflanzen und reißt den Boden nicht jedes Jahr neu auf und setzt ihn der Erosion aus", sagt Alves.

Das Paar und fünf weitere Familien probierten die Anbaumethoden aus: Sie legten Kompost an, stellten Bienenstöcke auf und legten Fischteiche an. Daniel schätzt sein Einkommen nun auf 1000 Reais (knapp 300 Euro) im Monat. "Das ist nicht viel, aber wir haben hier ja auch fast alles, sogar Medizin, Dünger und pflanzliche Insektizide", sagt Osvalinda.

Immer mehr Nachbarn interessierten sich für die Kurse und die neuen Methoden. Daniel und Osvalinda standen der Bauernkooperative vor und wurden landesweit auf Veranstaltungen eingeladen. Sie waren auf dem besten Weg, zu einem der wenigen Vorzeigebeispiele gelungener, kleinbäuerlicher Landwirtschaft am Amazonas zu werden. Das gefiel nicht allen. Denn das Scheitern der Kleinbauern bereitet der Holzmafia und den Viehbaronen den Weg.

"Wenn sie frustriert aufgeben, zockt ihnen die Mafia billig das Land ab. Zuerst holen sie die Edelhölzer aus dem Wald, dann wird für Viehweiden abgefackelt", sagt Pfarrer João Carlos Portes, Gründer der CPT im Bundesstaat Pará. Die Abholzung des Amazonas schreitet so weiter voran. Der Staat ist schwach. Der an Areia angrenzende Naturpark von einer Million Quadratkilometern wird von gerade einmal drei Parkwächtern beschützt. Die lokale Polizei steht im Sold der Viehbarone.

Staatsanwälte und Politiker sind mit im Geschäft oder mit den Mafiapaten verwandt. Die Umweltpolizei braucht bei Operationen militärischen Begleitschutz. In Areia quälen sich jeden Tag mehrere Lkws, schwer beladen mit meterdicken Baumstammriesen, durch den Morast bis zu den Sägewerken in Trairão. Dort werden Mahagoni und Palisanderhölzer zu Brettern verarbeitet, durch korrupte Beamte zertifiziert und keine 100 Kilometer entfernt im Hafen von Itaituba "legal" zum Export verschifft.

80 Prozent illegal abgeholzt

Anfang 2015 wurde dort einer der angeblich "größten Abholzer des Amazonas" festgenommen, der 15.000 Fußballfelder jährlich rodete. "Ich bereue nichts. Ohne Abholzung gäbe es Brasilien nicht", sagte er vor seiner Festnahme. "Die ganze Region lebt vom Holzeinschlag, deshalb schwärzt niemand den anderen an", erklärte Polizeichef Everaldo Eguchi. Schätzungen zufolge werden 80 Prozent der Hölzer Brasiliens illegal geschlagen.

Die NGO Forest Trends schätzt, dass auch 40 Prozent der Soja- und 65 Prozent der Fleischexporte mit illegaler Abholzung verbunden sind. Sie haben mächtige Fürsprecher. Die Agrarlobby stellt im Kongress 200 der 513 Abgeordneten. Ein Fünftel des Amazonaswaldes ging in den vergangenen 40 Jahren verloren.

Erfolgreiche Kleinbauern, die den größten Teil des Waldes bewahren, passen da nicht ins Konzept. Eines Tages bekamen Daniel und Osvalinda Besuch. "Ihr lasst uns arbeiten und bekommt 100 Reais (29 Euro) pro Lastwagen", schlug ein Auftragskiller der örtlichen Holzbarone vor. Bei drei Lastern täglich machte das rund 2300 Euro im Monat, ein kleines Vermögen im Urwald. "Das ist ein gutes Geschäft", so Daniel, "aber mit einer schlechten Sache. Wir wollen damit nichts zu tun haben."

Das hätte sein Todesurteil sein können. Inzwischen ist das Paar Teil des Bundesschutzprogramms für bedrohte Aktivisten. Doch während die CPT regelmäßig vorbeischaut und Solidaritätskampagnen organisiert, ruft die eigentlich zuständige Behörde aus der Hauptstadt Brasília nur manchmal an. Daniel hat seinen Humor trotzdem nicht verloren: "Ich sage ihnen dann immer, dass wir noch leben." (Sandra Weiss aus Belém, 25.2.2016)