Papierkorb oder nächste Runde? Für diese Entscheidung brauchen die meisten Personaler weniger als eine halbe Minute. Facebook-Personalerin Ambra Benjamin veröffentlichte online, worauf sie und Kollegen Wert legen, und was weniger wichtig ist.

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Im Lebenslauf übertreiben? Besser nicht, schreibt Benjamin. Harald Schmidt ist einer anderen Meinung und motzt seinen Lebenslauf auf.

Die Harald Schmidt Show

Obwohl sich viele dafür interessieren, was hinter dem Vorgang passiert und wie Personaler zu ihren Entscheidungen kommen, sei ihr Beruf keine Hexerei, so Benjamin. "Unsere Welt ist viel simpler, als viele denken." Sieht es danach aus, dass der Kandidat gut zu den Anforderungen passt? Dann in die nächste Runde mit ihm. Wichtig ist Benjamin zu betonen, dass jeder Recruiter andere Vorlieben hat.

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Viele kennen das Gefühl: Obwohl man den Lebenslauf gerade auf Vordermann gebracht hat fragt man sich, wie man mit dem simplen Dokument aus der Masse an Bewerbern herausstechen kann. Aber: Ist ein außergewöhnliches Format oder viele Farben der richtige Weg, um bei Personalern zu punkten? Und soll man auch den Ferialjob aus dem Jahre Schnee erwähnen?

Spoiler: Beides lehnen viele Recruiter ab. Ambra Benjamin ist bei einem für Absolventen beliebtesten Unternehmen der Welt – Facebook – dafür zuständig, geeignete Kandidaten aus tausenden Bewerbungen herauszufiltern. Auf Quora beantwortete sie ziemlich ausführlich die Frage aller Fragen, was zählt im Lebenslauf und was ist unnötiger Schnickschnack?

Was im Lebenslauf wichtig ist

  • Aktuelle Position
    Hier wandern die Augen von Benjamin gewöhnlich zuerst hin. Benjamin will über den Status Quo Bescheid wissen, schreibt sie. Wenn es an sie gesendete Bewerbungen sind, will Benjamin herauslesen, wieso sich der oder die Kandidatin gerade jetzt bewirbt. Sind es erst wenige Monate in der aktuellen Position, schließt sie darauf, das wohl einiges schief gelaufen ist. Am wichtigsten sei hier aber zu checken, ob die aktuelle Erfahrung in Hinblick auf den ausgeschriebenen Job passt.

  • Das Unternehmen
    Dabei geht es ihr nicht unbedingt um renommierte Namen. "Weil Personaler in der Regel ihren Job schon länger machen, kennen sie Muster bei Kandidaten bestimmter Unternehmen." Natürlich könne es auch sein, dass der Eine oder die Andere überrascht, aber die Annahmen gehören für Benjamin einfach zum Job. Und wenn der Recruiter das Unternehmen gar nicht kennt? "Das bedeutet, dass ich den Lebenslauf einfach intensiver und länger lesen muss."
    "Länger" bedeutet in diesem Fall mehr als 20 Sekunden. Denn so viel – oder so wenig – Zeit, nimmt sich Benjamin circa pro CV. Aus den anderen Antworten auf Quora von Recruitern geht hervor, dass sie damit im Durchschnitt liegt.

  • Erfahrung
    Gibt es einen Fortschritt in der Karriere? Hat der Kandidat oder die Kandidatin im Laufe der Jahre zum Beispiel mehr Verantwortung bekommen? Ergeben die Titel Sinn? (Benjamin nennt als Beispiel "Vice President of Marketing" in einem fünfköpfigen Unternehmen – das sei unnötig). Decken sich die aufgelisteten Verantwortungen mit der Job Description? All das will Benjamin hier wissen.

  • Schlagwörter
    Um herauszufinden, ob die Person die gewünschten Eigenschaften erfüllt, sollten die Schlagworte leicht aus dem Lebenslauf herauszulesen sein. "Zeitweise musste ich mit Steuerung + F die Lebensläufe durchsuchen", schreibt Benjamin. Nicht der Idealfall. Wenn sie nach einem iOS-Entwickler suche, dann müssten eben irgendwo die Worte "iOS" oder "Objective-C" aufscheinen. Aber Benjamin warnt – man dürfe den Lebenslauf auch nicht mit zu vielen Keywords beschmücken. Authentisch bleiben lautet ihr Tipp.

  • Lücken
    Von vielen Bewerbern gefürchtet, aber zumindest laut Benjamin zu Unrecht. "Mir sind Lücken egal, solange es eine gute Erklärung für sie gibt." Benjamin würde es zum Beispiel okay finden, wenn jemand drei Jahre zuhause war, um Kinder groß zu ziehen. Was es auch sei, man sollte den Grund dafür einfach nennen. Auch wenn es schwer falle und man über persönliche Dinge vielleicht nicht sprechen will, solle man – so kreativ wie möglich – über die Gründe für die Unterbrechungen sprechen.

  • Der Online-Footprint
    Es werde zwar nicht vorausgesetzt, aber wenn sich Kandidaten die Mühe machen und Links mitschicken, dann klickt Benjamin auch. Was sie dabei interessiert sind vor allem Dinge, die mit den gesuchten Qualifikationen zu tun haben. Also ob man sich als Programmierer etwa auf GitHub einen Namen gemacht hat, etc- Durch die Websites oder Twitter-Profile der Kandidaten zu klicken gehöre zu Benjamins Lieblingsteil beim Recruiten. "Man weiß nie, auf was man stößt."

  • Allgemeine Organisation
    Hiermit sind Format und Rechtschreibung gemeint, aber auch eine verständliche Sprache. Auch viele andere merken in ihren Beiträgen an, dass man als Recruiter Bewerbungen mit Rechtschreibfehlern oder sehr unübersichtliche Dokumente sofort in den Papierkorb verschiebt. Apropos Papier: Das käme Benjamin gar nicht mehr unter. Sie sehe sich alles nur noch digital an und kann es auch gar nicht ausstehen, wenn sie Bewerbungen in Papierform per Post zugesendet bekommt.

Worauf weniger Wert gelegt wird

  • Ausbildung
    Während es bei Einsteigerjobs schon eine Rolle spielen könne, was man wo studiert hat, würden Recruiter bei höheren Positionen kaum noch auf die Hochschule achten. Speziell in der Technik und IT-Branche, in der Benjamin arbeitet, spiele das eine geringe Rolle. "Viele brillante Entwickler die bei Facebook arbeiten haben nicht mal das College abgeschlossen."

  • Aufwendiges Design
    Ein kritischer Punkt, denn eigentlich spräche nichts gegen kreative Formate bei Lebensläufen. Es sei aber nun mal so, schreibt Benjamin, dass eine schöne Gestaltung auch nicht über fehlende Erfahrung hinwegtäuschen kann. Viele Lebensläufe würden in Unternehmen gefiltert werden und in Standarddokumente umgewandelt, dann sehe der Recruiter also auch gar nicht, wie schön das Format zunächst war. Und manche Bewerber würden es mit der Kreativität schlichtweg übertreiben.

  • Zu persönliche Details
    Benjamin ist in ihrem Beitrag geschockt, dass es in Europa normal ist, Lebensläufe mit Fotos zu versehen. In den USA würde das bei Recruitern – genau so wie andere persönliche Infos wie Familienstand oder Staatsbürgerschaft – für unangenehme Gefühle bei den Personalern sorgen. "Wenn wir wissen wollen, wie eine Person aussieht, dann stalken wir sie auf LinkedIn." In Europa ist es freilich unüblich, Lebensläufe ohne Foto zu verschicken.

Was mehr Bewerber tun sollten

  • Persönlichkeit in den Lebenslauf bringen
    "Wir Recruiter schauen uns den ganzen Tag diese Dokumente an. Baut ein witziges Element ein, verdammt nochmal", schreibt Benjamin. Dabei müsse man natürlich die eigene Branche kennen. Nicht überall würde ein wenig Humor im CV gut ankommen und man müsse wissen, wie man es macht. Als Vorzeigebeispiel führt die Recruiterin diesen LinkedIn-Account an.

  • URLS für den Onlineauftritt
    Sie verstehe zwar, dass es vielen unangenehm sei hier persönliche Profile anzuführen, aber das sei auch gar nicht nötig. Man könne auch andere Online-Projekte anführen und damit die Interessen und das Engagement abseits des 9-5-Job zeigen.

  • Persönliches Engagement
    Womit wir auch schon beim nächsten Punkt sind, der Benjamin am Herzen liegt. In fast jedem Telefoninterview würde sie die Bewerber nach persönlichen Projekten fragen, die man in der Freizeit verfolgt. Oder danach, wie man seine Zeit nach der Arbeit allgemein so verbringt.

Was man besser seinlassen sollte

  • Word-Vorlagen verwenden
    Benjamin findet hier nur drastische Worte: "Oh my gosh. Please, let's kill them all."

  • In der ersten Person schreiben
    "Bei Firma X habe ich dies und jenes gemacht." – Geht für Benjamin gar nicht. Am besten sei es die Aufgaben in Stichwörtern zu formulieren. Schlecht sei es auch, wenn man zwischen erster und dritter Person und Gegenwart oder Vergangenheit wechselt. Am besten alles in der Vergangenheitsform beschreiben, rät Benjamin, auch wenn man die aktuelle Position noch inne hat.

  • Ein Ziel oder Motto am Beginn anführen
    "Ernsthaft? Wir leben nicht im Jahr 1992", schreibt Benjamin.

  • Lebenslauf per Post, Fax oder persönlich vorbeibringen
    Eine Geste, mit der man sich ebenfalls von anderen Bewerbern abheben kann. Allerdings eine Strategie, die laut Benjamin in den meisten Fällen nach hinten losgeht. Recruiter brauchen den Lebenslauf digital und wenn Kandidaten persönlich vorbeikommen würden, finde sie das nur seltsam und nicht positiv.

  • Übertreiben
    Siehe das Video von Harald Schmidt. Aber: Egal ob bei Titel oder Position – irgendwann komme die Wahrheit immer ans Licht, so Benjamin.

  • Zu lange Dokumente
    In der Kürze, liegt die Würze – auch für Benjamin. Es interessiere sie nicht, dass man in den 90ern als Ferialjob bei Burger King war und so lange man auch kein renommierter Professor mit X Publikationen sei, mache es auch keinen Sinn viel zu viele Seiten zu füllen.

  • Die Bewerbung an die Geschäftsführung senden
    Kaum ein CEO lese sich Bewerbungen durch. Die gut gemeinte Geste ende dann nur darin, dass der Lebenslauf ungelesen am Schreibtisch endet. (Lara Hagen, 1.3.2016)