Foto: Archiv Frieda Schmutz
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Fünf Tage nach ihrer Abreise aus Beirut – im Süden der Türkei, zwischen Adana und Mersin – sehen sie das erste Schweizer Auto. "Wir winken, obschon es Zürcher sind", steht am 25. Juni 1969 im Reisetagebuch, "aber die erkennen unsere Nationalität natürlich nicht, weil wir eine libanesische Nummer haben." Trotzdem ist die Freude groß. Sie nimmt der Reise ein wenig das Ziel voraus. Den Sommerurlaub in der Schweiz.

4.800 Kilometer mit dem Käfer

Es ist die erste Reise der gebürtigen Schweizerin Frieda Schmutz vom Libanon zurück in ihre Heimat. Auf dieser wird sie von ihrer Freundin Trudi begleitet, die darüber ein ausführliches Reisetagebuch verfasst. Drei Jahre später wird Frieda Schmutz noch einmal die, je nach Route, bis zu 4.800 Kilometer lange Reise zwischen Riggisberg, in der Nähe von Basel, und Beirut antreten. Mit einem VW Käfer. Vollbeladen bis unter die Dachkante. Einmal sogar samt Anhänger.

1969, bei der Abreise von der Schweiz in den Libanon. Begleitet wurde Frieda Schmutz von einem befreundeten Ehepaar, das mit dem R4 fuhr, während sie sich mit ihrer Schwester und einer Freundin den Käfer teilte.
Foto: Archiv Frieda Schmutz

"Viele Europäer, die im Nahen Osten lebten, haben damals ihre Sommerferien so begonnen", erzählt die heute 83-Jährige, die inzwischen wieder in der Schweiz lebt. Von Mai 1966 an arbeitete sie in Beirut, erst als Wirtschaftsleiterin in einem armenischen Sozialhilfswerk, später, von 1984 bis 1995 – also mitten im libanesischen Bürgerkrieg –, als Sozialarbeiterin in der "Deutschsprachigen Evangelischen Gemeinde zu Beirut". Wenn sie im Sommer nicht in die Schweiz zurückfuhr, machte sie mit ihren Freundinnen im Käfer Rundreisen nach Bagdad, Babylon und über Amman wieder zurück nach Beirut. Oder, 1973, rund 4.500 Kilometer in den Westen der Türkei.

Frieda Schmutz, gemeinsam mit ihrer Freundin Claire, in Istanbul.
Foto: Archiv Frieda Schmutz

Den VW Käfer, der das alles mitmachte, den kaufte sie 1967, von einem Pfarrer, der schon seit sechs Jahren in Beirut arbeitete und den Wagen Jahre zuvor, noch in Deutschland, gekauft und gefahren hatte. "Wie alt der beige Käfer wirklich war, weiß ich nicht mehr. Aber er war auf meine Ansprüche zugeschnitten", sagt Frieda Schmutz. Vor allem kam ihr entgegen, dass es ein "im Libanon und Nahen Osten sehr verbreitetes Auto" war, sie daher rasch Ersatzteile bekam und sich schnell jemand fand, der den Wagen reparieren konnte, wenn etwas passiert war.

VW-Werkstatt in Homs

Da war etwa diese Geschichte mit dem Lastkraftwagen in Syrien. "Auf einer Fahrt nach Palmyra verlor ein mich kreuzendes Lastauto einen Holzladen, der in die Frontscheibe meines VWs flog", erinnert sich Frieda Schmutz. "Die Scheibe zersplitterte, und meine Beifahrerin und ich sahen im Gesicht aus, als hätten wir Scharlach. In Homs fragten wir nach einer VW-Werkstätte, und wir kamen vor einer kleinen, uns zuerst nicht sehr überzeugenden Bude an." Doch entgegen allen Zweifeln konnte der Mechaniker dort schnell helfen. "Der Mann stieg auf einer Leiter auf die Zwischendecke über der Garage und brachte eine Frontscheibe herunter. Genau die Scheibe, die wir brauchten." Kurz darauf waren die beiden wieder unterwegs.

Frieda Schmutz, aufgenommen während der Fahrt.
Foto: Archiv Frieda Schmutz

Ein besonderes Faible für Autos hat Frieda Schmutz nie entwickelt. Der Käfer war für sie vielmehr ein Werkzeug, um helfen zu können. 1962 verbrachte sie drei Monate in einem Kibbuz in Israel. Dort wurden sie das erste Mal auf die Probleme zwischen Israelis und Palästinensern aufmerksam und begann sich für arabische Länder und deren Geschichte zu interessieren. "1964/65 verbrachte ich ein Jahr in einem palästinensischen Waisenhaus für Mädchen bei Bethlehem, geleitet von Diakonissen. Dort wurde ich zum ersten Mal mit dem Autofahren konfrontiert. Als ich ankam, war eine der ersten Fragen, ob ich den Fahrausweis hätte. Sie hatten einen VW Bus, der Fahrer am Wochenende frei, und keine der Frauen konnte fahren. Da merkte ich: Auto fahren sollte man können, auch wenn man keinen Ehrgeiz hat, ein Auto zu besitzen", erzählt Frieda Schmutz. Noch 1965, im Alter von 33 Jahren, machte sie in Beirut den Führerschein. "Ich bin sehr gerne Auto gefahren", sagt sie heute wenig überraschend, "und da ich von Anfang an in Beirut fuhr und mich an den chaotischen Verkehr gewöhnte, habe ich mich sehr sicher gefühlt." Sie fuhr stets defensiv und ließ Drängler einfach fahren, erinnert sich ihre Schwester Elisabeth, die heute im Burgenland lebt und 1969 Frieda auf der Rückreise von Basel nach Beirut begleitete.

Fahren in Beirut

In Beirut zu fahren war ganz anders als in Europa, erzählt Frieda Schmutz. "Da die meisten Fahrer die Verkehrsregeln kaum oder nicht beachteten, haben sie auf die anderen Verkehrsteilnehmer aufgepasst und sich angepasst. In Europa fuhr ich manchmal unsicherer in der Hoffnung, dass ich die Verkehrsregeln nicht vergessen habe und keine Fehler mache."

Der Führerschein von Frieda Schmutz.
Foto: Archiv Frieda Schmutz

Als Frau wurde man mehr beachtet als ein Mann, erinnert sich Frieda Schmutz, "aber im Libanon fuhren schon damals die Frauen ganz selbstverständlich Auto. Nicht viel anders war es in den anderen Staaten des Nahen Ostens, wo ich unterwegs war: Syrien, Palästina, Jordanien, Irak, Türkei."

Ostern 1971 im Nordirak.
Foto: Archiv Frieda Schmutz

Zu Gast in Aleppo

Die Reisen vom Libanon in die Schweiz und zurück waren aber herrliche Abenteuer. Vielleicht weniger für Frieda Schmutz als für ihre Begleiterinnen. "Wer hätt's so schön wie mir? Niemets!", wird ihre beeindruckte Freundin Trudi in einem detaillierten Reisetagebuch festhalten. Dazu auch zahlreiche Geschichten wie jene, wo ihnen ein junger armenischer Lehrer in Aleppo die Schönheiten der Stadt zeigt, und statt dass er sich danach zum Essen einladen lässt, bittet er die beiden Frauen einzukaufen, was sie essen möchten, damit es seine Mutter dann zubereiten könne. Es war ein herrliches Essen, im feinsten Rahmen, und die beiden Schweizerinnen bewunderten "die feingliedrigen und grazilen Eltern" des Gastgebers und die Anmut der Mutter. "Sie hat auffallend schöne Hände", hält Trudi fest und beendet den Eintrag für den 22. Juni 1969 mit den Worten: "Diese Menschen haben Sinn für die Kostbarkeiten des Augenblicks, sie können vorurteilslos für andere da sein."

Weihnachten 1970 verbrachte Frieda Schmutz an der jordanisch-irakischen Grenze.
Foto: Archiv Frieda Schmutz

Wenige Tage später wird Frieda erzählen, dass ihr wohl zur gleichen Zeit, im Hotel, ein größerer Geldbetrag entwendet wurde. "Wir trösten uns mit den bis jetzt ausgebliebenen noch schlimmeren Zwischenfällen und suchen uns einen besonders hübschen Frühstücksort", schreibt Trudi am 25. Juni in ihr Tagebuch. Ihre Reise hat erst begonnen. Sie werden noch Antalya, Izmir, Istanbul und Thessaloniki besuchen, über Skopje, Dubrovnik, Triest und Mailand nach Basel fahren. Am 10. Juli kommen die beiden Frauen im Käfer mit dem libanesischen Kennzeichen am Gotthard an. "Regen, Schnee, Nebel", notiert Trudi. "Wir steigen nicht einmal aus. Irgendwo in Sisikon finden wir uns bei Bratwurst, Pommes frites und Süßmost dann doch wieder ganz gut mit der Schweiz ab, vor allem weil wir schon an unsere nächste Reise denken."

Kafikirsch in der Schweiz

Neben die beiden Frauen setzt sich ein "bilderbuchhafter Bergbauer mit Bart und Pfeife". Er nimmt nicht einmal seinen Hut ab und trinkt einen "Kafikirsch", einen Kaffee mit Kirschwasser. Und Trudi schreibt nieder: "Wir haben an ihm fast so viel Freude wie an dem malerischen Eseltreiber in Damaskus."

1972, wieder auf dem Weg in den Libanon, begleitet von einer Freundin.
Foto: Archiv Frieda Schmutz

"Vor 40 Jahren reisten wir Frauen allein durch Syrien und den Irak", sagt Frieda Schmutz. "Und heute? Heute ist das unmöglich. Sie schlagen auch Männern den Kopf ab. Wie würden sie erst mit uns Frauen umgehen? Es macht mich sehr traurig, wenn ich daran denke, wie schön es dort war, wie viele schöne Begegnungen wir dort hatten." Als Schweizerin wurde sie damals oft auf Uhren und Schokolade angesprochen, auf ein reiches, schönes und friedliches Land. "Das änderte sich ein bisschen gegen das Ende meines Aufenthaltes im Libanon, Ende der 1980er-, Anfang der 1990er-Jahre. Da bekam ich dann auch zu hören, dass unsere Banken das Geld ihrer Reichen verstecken und wir uns damit bereichern würden." (Guido Gluschitsch, 27.2.2016)