Ach, was haben sich heimische Gastrojournalisten und selbsternannte Gourmetspezialisten gefreut, als es hieß, Wien bekommt sein erstes Drei-Sterne-Restaurant. Damals, als der in Deutschland bereits seit Jahren gefeierte Spitzenkoch Juan Amador bekanntgab, seine Zelte in der Bundesrepublik abzubrechen und künftig das Alpenland mit seiner Haute Cuisine bekochen zu wollen, stellten sich drei Fragen: wo, wie und vor allem wann?

Sein Restaurant in Deutschland war einige Jahre mit drei Michelin-Sternen bewertet. Als Amador beschlossen hat, sein Fine-Dining-Konzept aus Mannheim im Wiener Cabaret Renz fortzuführen, glaubten viele, dass auf die Zwei-Sterne-Restaurants Steirereck und Palais Coburg nun der erste Dreisterner in Österreich folgt. Und so sah man schon die Schlagzeile, bevor noch der erste Buchstabe des Vertrags gedruckt und der Herd überhaupt eingeschaltet wurde.

"Früher habe ich 30 Gänge serviert. Solche Marathon-Menüs sind nicht mehr zeitgemäß", sagt Juan Amador.
Foto: Christian Benesch

Befreiungsschlag

Doch es sollte anders kommen. Letztes Jahr im Frühling stand den in den Löchern scharrenden Feinschmeckern die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben. Amador machte allen einen Strich durch die Rechnung und sagte das Projekt überraschend ab. Der Einzige, der nicht enttäuscht, sondern seit langer Zeit einmal wieder richtig zufrieden war, war der Küchenchef selbst. Es schien wie ein Befreiungsschlag für einen der besten Köche Deutschlands.

Es sei vielleicht die beste Entscheidung seines Lebens gewesen, wie er heute resümiert. "Ich wollte keinen Druck mehr von außen haben. Den Druck mache ich mir schon selbst", sagt Amador, der in weniger als zwei Wochen sein neues Restaurant "Amador's Wirtshaus und Greißlerei" in Wien-Döbling eröffnet und damit eine ganz andere Richtung einschlägt: nicht so viel Tamtam, weniger Komponenten auf dem Teller, keine unzähligen Gänge und der Fokus auf dem Produkt – so beschreibt der Spitzenkoch seine neue Linie.

Damit kehrt er in gewisser Weise auch zu seinen Wurzeln zurück, hat der gefeierte Küchenstar seine Lehre doch in einem Gasthof in Schwaben begonnen und kennt somit auch die ursprüngliche und einfache Küche.

Höhen und Tiefen

Doch schön der Reihe nach. Juan de la Cruz Amador Perez, wie der Spitzenkoch eigentlich heißt, wurde 1968 als Sohn spanischer Gastarbeiter in Schwaben geboren. Drei Jahre nach der Lehre stand er bereits als Küchenchef im Restaurant Petersilie in Lüdenscheid am Herd und wurde mit seinem ersten Michelin-Stern ausgezeichnet. Nach einigen Gastauftritten und einem weiteren Stern folgte schließlich das erste eigene Restaurant in Langen mit dem Namen Amador.

Es dauerte nicht lange, bis der damals für seine Molekularküche bekannte Amador vom Guide Michelin die höchste Auszeichnung, drei Sterne, bekam. Sein zweites Restaurant Tasca in Wiesbaden musste nach zwei Jahren bereits wieder schließen. Das kurz zuvor eröffnete Restaurant Amesa in Mannheim wurde später zum Restaurant Amador und erneut mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnet.

Der Avantgarde-Koch beeindruckte seine Gäste mit ausgefallenen Kreationen, die als AmuseBouches oder als einer von unzähligen Gängen serviert wurden. Zwischen mutigen Paarungen wie Blumenkohl mit weißer Schokolade, Kaviar und Arganöl fanden sich auf der Karte auch herrliche Kombinationen wie Königskrabbe mit Tomate, Joselito-Schinken und fermentiertem Knoblauch oder Steinbutt mit Rindermark und Safran.

Private Entscheidung

Der Name Amador ist gefragt. Und so holte ihn das Hotel Kempinski in Frankfurt, um das Restaurant Sra Bua by Juan Amador mitzuentwickeln. Letztes Jahr eröffnete er außerdem das Restaurant Alma by Juan Amador in Singapur, in dem man typisch spanisch-europäische Küche mit asiatischen Einflüssen serviert bekommt. Nach Deutschland und Asien also Österreich? Ist es die spannende Kulinarikszene, die einen der besten Köche Deutschlands in die Alpenrepublik treibt?

"Österreich hat schon viele Jahre eine große Rolle in meinem Leben gespielt. Meine Frau ist Österreicherin. Wir haben uns vor sieben Jahren in Wien kennengelernt, und ich bin lange gependelt. Es war also eine rein private Entscheidung, nach Wien zu ziehen, und nicht, um den Wienern zu zeigen, wie man kocht. Umso schöner ist es, jetzt auch hier arbeiten zu können", sagt Amador, dessen Gattin Berghild übrigens zuvor mit Spitzenkoch Reinhard Gerer verheiratet war.

Und weil der gefragte Koch offenbar noch nicht genug ausgelastet ist, kochte er zuletzt in Toni Mörwalds Restaurant Le Ciel im Wiener Grand Hotel. Dort kredenzte er unter anderem Carabineros (rote Riesengarnelen) mit Karfiol und Nougat sowie eine Crème anglaise, eine Art Sabayon, mit Roten Rüben, Himbeeren und Tonkabohne. Ob das schon die erste Probe für sein neues Upscale-Wirtshaus ist, das am 15. März eröffnet? Laut Amador sei es eine Art Auftakt. Die Speisekarte wird aber wohl ähnlich aussehen, und der Gast wird sich zumindest im Restaurant, das nur ein Teil des neuen Konzepts ist, am Ideenreichtum und dem Spiel mit den Aromen, für das der Spitzenkoch bekannt ist, erfreuen können.

Ende Februar gab Juan Amador noch ein Gastspiel im Le Ciel by Toni Mörwald.
Foto: © Hotel Kempinski Frankfurt

Das Besondere

Auch wenn man hier weit von der Molekularküche und Menüs mit unzähligen Gängen entfernt ist, soll das Essen etwas Besonderes sein. Aber eben ohne Effekthascherei. "Wir Köche versuchen, uns über den Teller zu profilieren. Das Problem ist, dass man es nicht mehr versteht und wir am Gast vorbeikochen. Früher habe ich auch 30 Gänge serviert. Diese Marathon-Menüs sind nicht mehr zeitgemäß, und ich mag sie selbst nicht, wenn ich essen gehe", erzählt der Küchenchef.

Wichtig sei einzig die Qualität der Produkte. Bei den Tauben, die auf Amadors Karte auf keinen Fall fehlen dürfen, will er auf österreichische Züchter zurückgreifen, wenn diese die Tauben nach seinen Vorstellungen halten.

Während ein Menü im Restaurant um die 100 Euro kosten soll, wird man im vorderen Teil des Wirtshauses, der Greißlerei, vor allem einfache österreichische Speisen bekommen. Auf der Tageskarte sollen Gerichte wie Kartoffelsuppe mit Blunze oder der klassische Schweinsbraten stehen. Gekocht wird aber alles in einer Küche. Das heißt, Amador und sein Team sind vor allem abends gut beschäftigt.

Durch eine Glaswand sieht man vom Restaurant auf Weinfässer.
Foto: Alex Stranig

"Die Prioritäten haben sich verschoben"

Und damit ist auch die Frage beantwortet, ob der Meister selbst hinterm Herd stehen wird. "Ja natürlich", sagt er und ergänzt im selben Atemzug: "Ich werde mir aber auch einmal ein Wochenende gönnen und wegfahren. Beruflich muss ich ohnehin ab und zu nach Singapur fliegen. Ich werde auch sicher nicht mehr jeden Tag mit den Gästen trinken, so wie ich es vor Jahren gemacht habe. Die Prioritäten haben sich verschoben."

Der Koch hat vorgesorgt mit einem Team, das ihm den Rücken freihält. Die Aufgaben sind klar verteilt. In der Küche wird der junge Deutsche Sören Herzig, der bereits als Souschef in Amadors Restaurant in Mannheim kochte, die Geschicke lenken. Geschäftspartner Gebhard Schachermayer wird sich um das Management und die Greißlerei kümmern, in der auch allerhand regionale Produkte zum Verkauf angeboten werden. Der gebürtige Kärntner war zuvor General Manager in der Villa Joya in Portugal.

Ein Zufall

Das Brot wird von Helmut Gragger gebacken, der eigens dafür einen mobilen Holzofen bereitstellt. Und für die rund 2.000 Positionen umfassende Weinkarte zeichnet der Hausherr, Winzer Fritz Wieninger verantwortlich, ohne den das Projekt gar nicht zustande gekommen wäre.

Amador und Wieninger haben sich zufällig getroffen, als der Winzer dem Küchenchef von seinen Plänen mit der einstigen Winzerei erzählte. "Zu diesem Zeitpunkt hatte ich kein Interesse, weil ich ja noch mit dem Cabaret Renz beschäftigt war. Irgendwas hat mir aber gesagt, dass es nicht richtig ist. Und so verabschiedete ich mich von dem Konzept und sagte Fritz zu", erinnert sich Amador. Wieningers Weinkeller wird ab April von Sommelier Andreas Katona, derzeit noch in Simon Taxachers Restaurant Rosengarten in Kirchberg, verwaltet.

Zur Überbrückung springt Weinfreak und Sommelier Robert Stark ein. Es ist offensichtlich an alles gedacht. "Wir sind gut vorbereitet. Auch wenn ihr Journalisten das Haar in der Suppe suchen werdet", schmunzelt Amador. Der Spitzenkoch hat schon einmal einem Restaurantkritiker Hausverbot erteilt. (Alex Stranig, RONDO, 5.3.2016)

Der Weinkeller von Fritz Wieninger bietet auch ideale Bedingungen für den Brotteig von Helmut Gragger.
Foto: Alex Stranig

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Interview mit Juan Amador