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Gedenktafel für die immer wieder als "Trostfrauen" bezeichneten Frauen aus Korea oder China, die während des Zweiten Weltkrieges zwangsprostituiert wurden.

Foto: Reuters/KIM KYUNG-HOON

STANDARD: Sie koordinieren ein Symposium zur "Ästhetisierung der Prostitution". Was genau ist mit der Ästhetisierung gemeint?

Pleßl: Dass Prostitution beschönigt wird, ihr der Schrecken genommen wird. Denken Sie an das Wort "Trostfrauen" für die meist aus Korea oder China stammenden, durch japanische Soldaten vergewaltigten Frauen. Da gibt es keine Opfer mehr, keine Täter und auch den Vorgang selbst nicht.

STANDARD: Im Symposium soll auch die Geschichte der Ästhetisierung thematisiert werden. Um welche Beispiele geht es da?

Pleßl: Wir möchten auf die lange Geschichte dieser Ästhetisierung hinweisen. Einen ihrer Höhepunkte hatte sie am Ende des 19. Jahrhunderts mit dem Wiener "Süßen Mädel" des Fin de Siècle. Karl Kraus und Otto Weininger sind da traurige Beispiele. Wir hätten gerne weiter ausgeholt und auch eine indigene Frau aus Kanada eingeladen, die "Squaw" ist ja auch ein Beispiel für die exotistischen Fantasien. Aber dafür fehlen uns die finanziellen Mittel.

STANDARD: Zu Kraus und Weininger gibt es einen eigenen Programmpunkt von Katharina Prager: "Was wir vom Wiener Fin de Siècle vielleicht nicht erben sollten: Frauen- und Männerbild bei Otto Weininger, Karl Kraus, Peter Altenberg." Warum?

Pleßl: Katharina Prager ist Historikerin und eine ausgewiesene Kraus-Expertin. Sie thematisiert, wie er sich für sexuelle Libertinage ausspricht, andererseits aber besonders Feministinnen angreift.

STANDARD: Christa Gürtler wird über das Vermächtnis von Irma von Troll-Borostyanis (1847–1912) sprechen. Warum ist gerade sie ein gutes Beispiel für den Kampf gegen patriarchale Vorurteile?

Pleßl: Irma von Troll-Borostyanis ist eine spannende österreichische Feministin, von der man leider viel zu selten etwas hört. Sie war eine der Ersten, die zur Prostitution auch vor Ort in den Bordellen recherchierten. Ihr Ansatz war schon damals der, der heute in den nordischen Ländern verwirklicht ist, nämlich nicht die Frauen zu kriminalisieren, sondern Prostitution an sich infrage zu stellen.

Das Symposium reicht auch weiter in die Gegenwart: Zum Beispiel spricht Konstantin Kaiser zum Bild der Prostitution in der österreichischen sozialkritischen Literatur der Zwischenkriegszeit. Wir haben in Österreich eine spezielle Situation: Durch den Faschismus ist bei uns, anders als in den nordischen Ländern, die ArbeiterInnenbewegung unterbrochen worden und ihr Wissen darüber, dass die Prostitution die Ausbeutung armer Frauen durch reiche Männer ist. Da gibt es keine Kontinuität, auch nicht in der Forschung. Das wäre unser Desiderat an die ForscherInnen. Es war leider nicht möglich, ein eigenes Referat dazu anzubieten. Es gibt noch keine Publikationen dazu.

STANDARD: Sie selbst sind in der Initiative Stopp Sexkauf tätig. Warum?

Pleßl: Ich habe den Eindruck, wenn in Österreich über Prostitution gesprochen wird, ist nicht nur die prostituierte Frau selbst isoliert, sondern der ganze Diskurs. Man soll sich als Frau nicht damit beschäftigen, wenn man nicht unmittelbar betroffen ist. Dabei wirkt sich der Umgang mit der Prostitution auf alle Frauen aus.

STANDARD: Die Schlüsse, die daraus gezogen werden, sind unterschiedlich. Es gibt auch Initiativen gegen die Illegalisierung von Sexarbeit wie die "Lustwerkstatt". Wird auch das Thema der Tagung sein?

Pleßl: Nein, weil das den Rahmen sprengen würde. Wir haben sehr interessante GästInnen da, um die es gehen soll. Die Gesetzgebung ist nicht das Thema dieses Symposiums. (Tanja Paar, 2.3.2016)