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Ein Wahllokal im westslowakischen Ružindol.

Foto: Reuters / David W Cerny

STANDARD: Robert Ficos linke Partei Smer hat ihren ersten Platz verteidigt, doch das Parteienspektrum im slowakischen Parlament ist unübersichtlicher als je zuvor. Was bedeutet dieses Wahlergebnis für die Slowakei?

Duleba: Eigentlich haben alle verloren, außer der rechtsextremen "Volkspartei Unsere Slowakei" von Marian Kotleba. Das ist ein Schock für das Land. Fico, der die linke Hälfte des politischen Spektrums konsolidiert hatte, hat viele Stimmen eingebüßt. Und rechts der Mitte fehlt eine konsolidierte Partei überhaupt. Abgesehen von den Extremisten sind die rechten Stimmen nun auf sechs Parlamentsparteien verteilt. Wir haben also ein ernstes Problem.

STANDARD: Von den Parteien rechts der Mitte hat die liberale "Freiheit und Solidarität" am besten abgeschnitten. Eine Überraschung?

Duleba: In den Umfragen bewegte sich die Partei rund um die Fünfprozenthürde. Ich selbst kenne viele Menschen, die nicht wussten, welcher der Rechtsparteien sie ihre Stimme geben sollten. Also wählten sie die, die Gefahr lief, aus dem Parlament zu fliegen.

STANDARD: Kommen wir zurück zum Erfolg der Rechtsradikalen: Hat nicht auch Premier Fico mit seinem Antiflüchtlingswahlkampf den Boden dafür bereitet?

Duleba: Die Tatasche, dass Smer das Migrationsthema in den Mittelpunkt des Wahlkampfs gestellt hatte, spielte da sicher eine Rolle. Vor allem Wähler, die Fico zwar in der Flüchtlingsfrage zustimmten, aber wegen der Krise im Schul- und Gesundheitswesen unzufrieden waren, haben sich schließlich den Extremisten zugewandt.

STANDARD: In der zweiten Jahreshälfte wird die Slowakei die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen. Was bedeutet die voraussichtlich schwierige Koalitionsbildung vor diesem Hintergrund?

Duleba: Die Ratspräsidentschaft wird schon seit geraumer Zeit vorbereitet. Alle relevanten Parteien haben zudem vereinbart, dass es diesbezüglich keine Änderungen in letzter Minute geben wird. Das Mandat zur Vorbereitung hat die aktuelle Regierung – Premier Fico sowie Außenminister und Vizepremier Miroslav Lajčák.

STANDARD: Welche Koalitionsvarianten kommen nun infrage?

Duleba: Es wird sehr schwierig sein, eine funktionsfähige Regierung zu bilden. Wir haben eine Pattsituation. Eigentlich gibt es nur ein Szenario zur Bildung einer Koalition – aber es ist überhaupt nicht gesagt, dass es funktionieren wird: Nehmen wir an, Präsident Andrej Kiska beauftragt den Wahlsieger Fico mit der Regierungsbildung. Dessen Partei Smer mit ihren 49 Mandaten hätte zusammen mit der Slowakischen Nationalpartei, die auf 15 Mandate kommt, 64 Sitze. Zum Regieren braucht man aber 76 Sitze. Smer und die SNS brauchten also mindestens zwei weitere Parteien. Da kämen eigentlich nur die Partei Most-Híd und die neue Partei Sieť infrage. Die zersplitterte Rechte kann ohne Smer hingegen nicht regieren. Eine andere Variante: Präsident Kiska könnte nach der slowakischen EU-Präsidentschaft Neuwahlen ausschreiben. Bis dahin könnte ein Beamtenkabinett regieren, eventuell unter Führung von Miroslav Lajčák. Wenn wir jedoch danach keine starke, moderne, proeuropäische Partei auf der rechten Seite des Spektrums bekommen, droht eine permanente politische Krise.

STANDARD: Ist umgekehrt die Herausbildung einer heterogeneren Linken möglich, in der zum Beispiel auch der Einsatz für Minderheiten oder den Umweltschutz seinen Platz hätte?

Duleba: Ja, das könnte sein. Es gibt durchaus linke Aktivisten, die in diese Richtung gehen und sich nicht mit Ficos Smer identifizieren. Derzeit ist aber die Linke noch ein Erbe von Expremier Vladimír Mečiar, der seinerseits ein Erbe der Kommunisten war. (Gerald Schubert, 6.3.2016)