Schon bevor es vorgestellt wurde, hat es das Microsoft Lumia 650 zu einem geradezu mythischen Ruf gebracht. Es würde ein Gerät der Einsteigerklasse werden und nur in Form einer Pressemitteilung vorgestellt werden, hieß es in Leaks. So kam es dann auch. Während dies für ein Gerät ohne Flaggschiff-Ambitionen noch keine Überraschung darstellt, war es aber eine andere Aussage angeblicher Insider, die aufhorchen ließ. Laut dieser bildet das Handy den Abschluss für die einst von Nokia ins Leben gerufene Lumia-Serie.

Ein Vorgehen, das durchaus Sinn ergeben könnte. Die Theorie dahinter: Microsoft würde damit Platz für andere Hersteller am ohnehin schon kleingeschrumpften Markt für Windows Phones lassen. Die Redmonder sollen aber angeblich an einem neuen Spitzengerät tüfteln, das dann – analog zu Googles Nexus-Reihe – als eine Art "Vorführgerät" Teil der Surface-Linie wird, die aktuell aus Convertibles und einem hybriden Laptop besteht.

Soviel zum möglichen Schicksal des Lumia 650, zu dem sich Microsoft offiziell noch nicht geäußert hat. Das soll uns an dieser Stelle aber auch nicht weiter beschäftigen. Der WebStandard hat sich angesehen, was das sagenumwobene Smartphone mit Windows 10 Mobile zu bieten hat.

Foto: derStandard.at/Pichler
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Spezifikationen

Rein von den Spezifikationen hat der IT-Riese aus Seattle ein Einsteiger-Gerät abgeliefert. Als Rechenwerk dient eine Snapdragon-212-CPU, ein sparsamer Cortex-A7-Prozessor mit vier Kernen und 1,3 GHz Maximaltakt. Dazu serviert man einen GB RAM und 16 GB Onboardspeicher, der sich per microSD-Karte erweitern lässt. Je nach Markt gibt es Modelle mit einem oder zwei nanoSIM-Slots. Österreich wird mit beiden Varianten versorgt.

Dazu gibt’s 3G- und LTE-Konnektivität, WLAN (802.11n), Bluetooth 4.1, NFC sowie eine Hauptkamera mit acht Megapixel Auflösung und einfachem LED-Blitz und ein frontseitiges Aufnahmemodul mit fünf Megapixel. Zum Aufladen und für verkabelten Datentransfer gibt es microUSB 2.0-Port auf der Unterseite.

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Ästhetik und Verarbeitung

Die hinterseitige Abdeckung ist dünn geraten, wirkt aber vom Material her widerstandsfähig. Ästhetisch lässt sich das Lumia 650 subjektiv als schlicht und wertig wirkend bezeichnen. Auffallende Designelemente abseits des Rahmens gibt es nicht. Dass die Kamera etwas hervorsteht könnte allerdings manche Interessenten abschrecken.

Das Handy liegt gut in der Hand und ist mit 122 Gramm auch ein Leichtgewicht. Der Ein/Aus-Schalter ist mühelos mit einer Hand zu erreichen, der obere Teil der Lautstärkewippe verlangt nach ein wenig Akrobatik. Insgesamt liegt das Smartphone angenehm und sicher in der Hand.

Display

Großes Lob verdient sich das Display. Die 720p-Auflösung geht für die Preisklasse des Lumia 650 – der Straßenpreis in Österreich beginnt bei etwa 210 Euro – in Ordnung. Blickwinkelstabilität, Sättigung und Kontraste sind allerdings hervorragend.

Das kommt auch nicht von ungefähr, denn Microsoft hat ein OLED-Panel verbaut, dankenswerterweise aber davon abgesehen, die Farben so übertrieben knallig zu kalibrieren, wie es etwa Samsung gerne bei seinen Spitzensmartphones tut. Sehr zu gefallen weiß auch die Entspiegelung, denn auch bei direktem Lichteinfall bleibt der Bildschirm gut ablesbar, wenn man die Helligkeit etwas höher dreht.

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Performance

Auch die Optimierung des Windows-10-Mobile-Systems ist den Redmondern geglückt. Trotz der leistungstechnisch knapp dimensionierten Hardware kommt es bei der Navigation durch die Oberfläche nur selten zu sichtbaren Rucklern. Auch Apps starten erstaunlich flott.

Für Kommunikation, Multimedia und einfachere Games reicht die Performance auch aus. Mit 3D-Games sollte man das Lumia 650 allerdings nicht konfrontieren. Schon bei eher unspektakulären Titeln wie "Traffic Racer" kommt es mitunter zu längeren und entsprechend störenden Hängern.

Die Benchmarkwerte entsprechen diesem Eindruck. Etwa 28.500 Punkte erzielt da Handy in der Betaversion von Antutu 6 und landet damit auch weit entfernt hinter dem aktuellen Windows 10-Flaggschiff Lumia 950, das mit über 70.000 Zählern gelistet wird. Das Tool Phonemark sieht das Lumia 650 in der Nähe des Lumia 521, das Teil der als "Lowend-Reihe" geltenden 500er-Serie ist.

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Kameras

Sehenswertes liefert die Hauptkamera das Microsoft-Handys ab. Unter Tageslicht liefert sie scharfe Bilder in angenehm realistischen Farben. Sie liefern zwar nicht so viele Details, wie Fotos, die man mit einem iPhone 6s, LG G4 oder Lumia 950 knipsen kann, sind aber dennoch mehr als tauglich für den Einsatz auf Instagram, Facebook oder anderen Social Networks.

Unerwartet gut schlagen sich Sensor und Software bei der Ausbalancierung der Darstellung unter Gegenlicht. Es kommt kaum zu störenden Überstrahlungen, gleichzeitig aber auch nur selten zu übertriebenem Weißabgleich. Schwindet das Sonnenlicht, lässt die Qualität allerdings merklich nach. Der Autofokus benötigt deutlich mehr Zeit, Bilder fallen tendenziell unscharf und stark verrauscht aus.

Die Frontkamera ist in puncto Farbtreue weniger genau, dazu werden mitunter übertriebene, softwareseitige Korrekturmaßnahmen für Gesichtsfotos angewandt.

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Empfang, Sound, Sprachqualität, Akku

In Sachen Empfang gibt es keinen Grund für Beschwerden. Akustisch schlägt sich das Lumia 650 ebenfalls ordentlich. Der externe Lautsprecher klingt für ein Smartphone gut und erreicht einen ordentlichen Lautstärkepegel. Auch die Soundwiedergabe über Kopfhörer erfolgt in guter Qualität, auf die Beilage eines Headsets hat Microsoft allerdings verzichtet. Die Telefonie-Akustik ist ein zweischneidiges Schwert. Während man vom Gegenüber sehr gut wahrgenommen wird, erreicht einen der Gesprächspartner nur in eher dumpfen Klang.

Der Akku wurde mit 2.000 mAh auf den ersten Blick recht sparsam bemessen. Trotzdem entstand – wohl dank des OLED-Displays und dem sparsamen Prozessor – während des Tests nie der Eindruck, das Telefon könnte bei normaler Nutzung vor Tagesende ausfallen. Im Gegenteil: Trotz Bearbeitung mit allerlei Apps und Benchmarks versprach der Akkustand auch nach Feierabend noch die eine oder andere Stunde Verwendung.

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Gutes Gerät, seltsame Zielgruppe

Für eine Preisklasse liefert das Lumia 650 ein brauchbares Rundumpaket, auch wenn etwas flottere Hardware wünschenswert gewesen wäre. Das Problem des Gerätes sind ohnehin weniger seine Komponenten, als das Ökosystem, an das es angebunden ist. Mit Universal Apps und Continuum hofft Microsoft, dem darbenden Windows Mobile-Markt wieder Auftrieb geben zu können.

Bis heute kämpft der Store allerdings mit einem "App Gap", also einem deutlichen Rückstand im Vergleich zu den Katalogen der Platzhirsche Apple und Google. Und Continuum ist ein Feature, welches dieses Einsteigerhandy mangels ausreichender Leistung gar nicht erst unterstützt. Dementsprechend mutet es etwas seltsam an, dass das Smartphone werbetechnisch als Businessgerät angepriesen wird.

Denn dieses Versprechen geht höchstens dann auf, wenn hier Firmen zuschlagen, die ohnehin in ihrer IT schon umfassend auf Windows-Infrastruktur und Microsoft-Services setzen. Allerdings ist auch dieser Vorteil kein großer, zumal Microsoft Produkte wie Office und Co. schon länger fleißig auf andere Systeme ausbreitet.

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Fazit

Was bleibt ist ein solides Einsteigerhandy mit sehr gutem Display, passablem Sound, ordentlicher Kamera und beachtenswertem Durchhaltevermögen. Einen Wendepunkt für die Misere von Windows im Smartphone-Segment wird es nicht auslösen. Wer dem System treu bleiben will und ein älteres Einsteigergerät der 500er- oder 600er-Modellreihe ablösen möchte, findet hier aber ein gutes Angebot.

Ob das Lumia 650 nun wirklich das Ende der Marke bedeutet, weiß aktuell nur Microsoft selber. Sollten sich die Gerüchte bewahrheiten, sei ihr ein Liedzitat von Peter Kreuder gewidmet: "Sag beim Abschied leise Servus." (Georg Pichler, 29.3.2016)

Beispielfotos

Tageslicht, Innenraum (Originalauflösung).
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Tageslicht, Innenraum (Originalauflösung).
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Tageslicht (Originalauflösung).
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Tageslicht, Gegenlicht (Originalauflösung).
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Kunstlicht, Gegenlicht (Originalauflösung).
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Tageslicht (Originalauflösung).
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