Bei der Aussage von Anders Breivik mussten die Fernsehkameras und Fotografen draußen bleiben.

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Horn: "Breivik wird uns bis zu seinem Tod beschäftigen."

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Noch bis Freitag läuft der Prozess des Massenmörders Anders Breivik gegen den norwegischen Staat im Gefängnis von Skien. Breivik wirft den Behörden vor, dass sie seine Menschenrechte durch die Isolationshaft verletzen. Am Mittwoch sagte der Attentäter selbst aus. Ein Urteil wird in spätestens drei Monaten erwartet. Der Osloer Anwalt Thomas Horn hat seine Doktorarbeit der Isolationshaft und Menschenrechten gewidmet. Mit dem Verfahren zeige Norwegen, dass sein System über seines siege, in dem man seine Meinung mit Gewalt durchsetzt, sagt er.

STANDARD: Laut Experten sind die Aussichten auf einen Sieg Anders Breiviks vor Gericht gering. Was versucht er mit diesem Prozess zu erreichen?

Horn: Bei Breivik bin ich mir nicht sicher, aber jeder, der sich in Isolationshaft befindet, will natürlich bessere Bedingungen erreichen. Sollte Breivik diesen Fall gewinnen, so wäre das ein Wertesieg für ihn. Es würde zeigen, dass Norwegen es nicht schafft, die selbst auferlegten menschenrechtlichen Werte aufrechtzuerhalten.

STANDARD: In welchem Ausmaß könnten seine Haftbedingungen dann gelockert werden?

Horn: Das ist Sache des Gerichts, aber es ist möglich, dass er mehr Kontakt zu Mithäftlingen erhält. Der müsste streng überwacht werden. Breivik könnte aber auch mehr Besuchsrechte bekommen. Das heißt, dass ihn nicht nur Experten sehen dürften. Natürlich aber nicht seine politischen Anhänger.

STANDARD: Am ersten Prozesstag nannten Überlebende und Angehörige der Opfer der Anschläge von Oslo und Utøya das Verfahren einen "Sieg des norwegischen Rechtssystems". Sehen Sie das genauso?

Horn: Ja, weil es wichtig ist, dass man das Gesetz schützt und Breivik einen fairen Prozess ermöglicht. So zeigen die Norweger, dass ihr System über seines siegt, in dem man seine Meinung mit Gewalt durchsetzt.

STANDARD: Welche rechtlichen Möglichkeiten hat Breivik, sollte er das Verfahren verlieren?

Horn: Er kann in Berufung gehen, dann weiter zum norwegischen Höchstgericht und schließlich zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Allein das Durchlaufen des nationalen Systems würde aber meiner Einschätzung nach bis zu zwei Jahre dauern.

STANDARD: Wie hat der EGMR in solchen Fällen in der Vergangenheit geurteilt?

Horn: Die Fälle sind natürlich immer individuell und nur schwer zu generalisieren. Es gab aber strenge Urteile unter anderem gegen die Niederlande, weil Isolationshaft routinemäßig angewandt wurde und es keine wirkliche Rechtfertigung gab. Laut dem EGMR ist Isolationshaft "Gefangenschaft innerhalb des Gefängnisses". Also eine der strengsten Bestrafungen, die eine Gesellschaft parat hat. Die Urteile richteten sich vor allem gegen Leibesvisitationen, obwohl Häftlinge keinen Kontakt zu anderen hatten.

STANDARD: Breivik wirft dem norwegischen Staat 886 unnötige Leibesvisitationen während seiner ersten Jahre im Gefängnis in Ila vor.

Horn: Dabei bezieht er sich auf EGMR-Urteile. Im vergangenen Jahr besuchte die nationale Überwachungsbehörde gegen Folter und menschenunwürdige Behandlung Breivik, und nach der Veröffentlichung ihres Berichts wurden die Haftbedingungen weiter gelockert. Er durfte damals etwa mehr Kontakt zum Personal haben.

STANDARD: Wie lange wird Breivik die norwegische Gesellschaft noch beschäftigen?

Horn: Bis zu seinem Tod. Nach zehn Jahren kann er alle fünf Jahre um frühzeitige Entlassung ansuchen. Sein Anwalt hat deutlich gemacht, dass Breivik nicht sein Leben lang in Haft bleiben will. (Bianca Blei, 17.3.2016)