Unscheinbare Indizien führen in die große, komplexe Welt.

Foto: mumok/Hannes Böck

Die Künstlerin Kathi Hofer verwebt Relikte des Familienunternehmens im Sinne einer subtilen Ökonomiekritik.

Foto: mumok/Hannes Böck

Wien – Ein wenig erinnert Kathi Hofers Personale im Mumok an ein Gewandgeschäft. Ein hippes, in dem White-Cube-Flair auf Tracht trifft. Die Arbeiten der Künstlerin (geb. 1981 in Hallein) beruhen auf Walkjankern. Quadratische Textilteile hat Hofer zu minimalistischen Bildern arrangiert, sie zeigt aber auch ganze Exemplare. Über die auf einer Kleiderstange aufgehängten Stücke möchte man gerne prüfend mit dem Finger streichen.

Aber wenn man nun eines der zünftigen Oberteile erwerben wollte? "Kaufen kann man höchstens die Arbeit als Ganzes", schmunzelt Hofer. Ihr Dasein als Waren haben die guten Stücke seit 2003 hinter sich, als das Familienunternehmen mit Sitz in St. Johann im Pongau den Betrieb einstellte. Die Großeltern fanden keinen Nachfolger. Jetzt nimmt sich die Enkelin verbliebener Stücke an, "appropriiert", wie sie sagt, die eigene Vergangenheit, eignet sie sich also an, indem sie Relikte aufs Podest der Kunst hebt.

Hofer tut es aus systemkritischem Interesse an ökonomischen Verflechtungen und Produktionsbedingungen. Ihr Projekt Craftivism 2012 im Wiener Mak stellte die der Massenproduktion kritisch begegnende Do-it-yourself-Bewegung in ein Verhältnis zum Kunsthandwerk und schließlich auch zur Erwartungshaltung an schöpferische Kreativität. Die Kardinal-König-Preisträgerin 2013 verknüpfte aber auch Arbeiten zum Geld- und Warenkreislauf mit Ideen des britischen Ökonomen John Maynard Keynes.

Im Mumok will Hofer einerseits die "Schönheit der Materialien und Farben" ins Licht rücken, quasi "phänomenologisch" vorgehen, wie sie sagt. Über die Ästhetik schickt sie Betrachter dann auf die Suche nach den Geschichten, mit denen diese Vintage- respektive Secondhand-Janker aufgeladen sind. Dabei führen mitunter unscheinbare Indizien in die große, weite und komplexe Welt.

Paris – Tokio – St. Johann

So mag man überrascht sein, ein Janker-Etikett des Designers Kenzo zu finden. Der Hintergrund: In den 1970er-Jahren kollaborierten die Hofers mit dem Japaner in Paris, der dabei war, Traditionen rund um den Globus zu verwursten. Neben Ponchos oder Kimonos wollte Kenzo auch Walkjanker in seiner Kollektion. Dabei drückte er diesen nicht nur allerhand Klischeehaftes auf, sondern "vergrellerte" auch die Farben – und beeinflusste so die Designästhetik des St. Johanner Betriebs nachhaltig.

Ob Kenzos Aneignung nun Fluch oder Segen war, dieses Urteil überlässt Hofer den Betrachtern, bietet nur einen analytischen Blick. Immerhin aber führte solche Weltoffenheit auch dazu, dass Grace Kelly oder Ernest Hemingway Fans der "Made in Austria"-Janker werden konnten.

Übrigens: "Ein bisschen Werbung" seien ihre Installationen vielleicht schon auch, sagt Hofer, die sich einen Betriebsrelaunch vorstellen könnte. Ein paar Janker gibt es im Lager, die noch nicht Kunst geworden sind. (Roman Gerold, Spezial, 19.3.2016)