Wien – Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) wehrt sich gegen Vorwürfe, er wolle Flüchtlinge bewusst durch humanitäre Missstände an den Grenzen abschrecken. "Ich habe gesagt, dass es unangenehme Bilder geben wird, nicht, dass ich sie mir wünsche", sagte Kurz der "Presse am Sonntag". Zugleich bekräftigte er, dass es an den Grenzen "Leid geben" werde. "Aber trotzdem kann es kein Recht des Stärkeren geben."

"Es geht nicht, dass junge Männer durchkommen und Frauen, Kinder, Alte und Schwache zurückbleiben", sagte Kurz in einem Streitgespräch mit Caritas-Präsident Michael Landau. "Was es stattdessen braucht, ist mehr humanitäre Hilfe vor Ort." Die europaweite Verteilung von Flüchtlingen könne man nur umsetzen, wenn sie "nicht dorthin ziehen, wohin sie wollen. Wer eine Wohnung in Berlin bezogen hat, wird nicht mehr nach Polen gehen. Etwas anderes zu glauben, ist absurd."

"Man kann sich das Land nicht aussuchen, da stimme ich dir zu", sagte Landau. "Aber wir müssen sicherstellen, dass jeder, der um Asyl ansucht, ein rasches, qualitätsvolles und faires Verfahren erhält. Dazu braucht es mehr Europa und nicht mehr Grenzen." Asyl sei ein Menschenrecht. "Und Menschenrechte sind nicht quotenfähig." Auch könne man nicht darüber hinwegsehen, "wenn Maßnahmen Menschen in Leid stürzen", sagte er mit Blick auf die Lage an der griechisch-mazedonischen Grenze. "Mich stört, dass sich die Republik richtig anstrengt, ein hässliches Gesicht zu zeigen."

In die Geschichte eingehen

Kurz sagte, dass er als Caritas-Präsident "alles genauso machen" würde wie Landau. Dieser habe nämlich "die Aufgabe, bedingungslos helfen zu wollen. Als Minister muss ich möglichst vielen Menschen helfen, ohne dass Österreich überfordert wird". Landau sagte dazu, dass man nicht "die eine Not gegen die andere ausspielen" dürfe. Unter Hinweis auf die Durchtrennung des Eisernen Vorhangs durch ÖVP-Außenminister Alois Mock vor einem Vierteljahrhundert sagte Landau: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass du als jener Außenminister in die Geschichte eingehen willst, der wieder Stacheldrahtzäune errichtet hat."

Kurz hatte für seine Aussage, dass es in der Flüchtlingskrise "nicht ohne hässliche Bilder gehen" werde, scharfe Kritik einstecken müssen. Der Grüne Europaabgeordnete Michel Reimon warf ihm vor, ein "menschenverachtender Zyniker" zu sein. Über Facebook verbreitete Reimon das ikonische Bild des im vergangenen Herbst tot an den Strand gespülten syrischen Flüchtlingsbuben Aylan Kurdi und versah es mit dem Ministerzitat. Auf Kritik legte er über Twitter nach: "um es deutlich zu sagen: @sebastiankurz nimmt mehr tote nicht nur in kauf, er verursacht sie". (APA, 20.3.2016)