Die Staatsmacht und Polizeiwillkür gehören zu den Lieblingsthemen des Malers Josef Schützenhöfer, der sich nach einem langjährigen USA-Aufenthalt in der steirischen Provinz angesiedelt hat.

cremer

"Wenn wir schon einen Namenskult betreiben, sollte man die Geschichte schon ganz erzählen", findet Josef Schützenhöfer

cremer

STANDARD: Aus vielen Ihrer Arbeiten spricht Ärger über die gesellschaftliche Machtverteilung, die politischen Verhältnisse. Was bietet Ihnen derzeit Anlass zu Zorn?

Schützenhöfer: Die Grenzen. Man hat mich in den USA immer als Europäer tituliert, nicht als Österreicher. Daran hatte ich mich gewöhnt. 1995 ist Österreich dann der EU beigetreten, und in dieses Europa bin ich nach 25 Jahren zurückgekommen. Ich hab mich auf die Vielschichtigkeit der Kulturen und der Sprachen gefreut. Ich dachte: Endlich bin nicht mehr eingesperrt in diesem Österreich. Aber jetzt bekomme ich in Spielfeld schon Probleme mit dem Kreislauf. Je näher ich zur Grenze komme, steigt der Blutdruck gewaltig.

STANDARD:Wie setzen Sie diesen Zorn um?

Schützenhöfer: In einer Installation für einen Raum, der komplett voll wird mit 1,20 Meter hohen Beamten. Die Innenministerin muss gleich ein paar Mal rein. Die Beamten werden zu einem Zauntänzergefüge verewigt. Wenn man hineingeht in diesen Raum, ist man völlig umringt von diesen Uniformen.

STANDARD:Warum die Innenministerin?

Schützenhöfer: Sie ist ein dankbares Motiv, schon allein modisch. Und sie hat diesen Drang, sich der Polizeiuniform zu nähern. Und diese Grenzbildung, das Nicht-solidarisch-Sein mit diesem Europa, das stört mich. In Spielfeld haben sie diese Zaunhysterie wie ein Theaterstück inszeniert. So etwas muss verewigt werden.

STANDARD: Warum haben Sie Europa verlassen?

Schützenhöfer: Das war eine Antwort auf das klerikal-faschistoide Umfeld, das in den Siebzigerjahren in der Steiermark und in Wien sehr stark spürbar war. Die 28 Tage im Polizeigefängnis Roßauer Lände haben meinen Entschluss bekräftigt.

STANDARD:Was hatten Sie angestellt?

Schützenhöfer: Störung der öffentlichen Ruhe und Betretens einer Rasenfläche – je 14 Tage. Ich ging damals gern ins Kunsthistorische Museum, war schon vor 10.00 Uhr dort und hab auf der Stiege gewartet, dass es öffnet. Und ich sehe da in der Parkanlage zwei Polizisten, die wurden handgreiflich mit einem Obdachlosen, haben ihn mit den Füßen gestoßen. Ich bin halt hin und hab den Polizisten erinnert, dass die Staatsmacht so nicht reagieren sollte. Ich hab sofort eine Watsch'n kriegt. Und ich hab natürlich gleich eine zurückgegeben, nicht? Reflexartig.

STANDARD: Und dann?

Schützenhöfer: Handgreiflichkeit, Handschelle und ab in den Zwinger. Das ist schnell gegangen: 10.00 Uhr Interaktion beim Museum, 12.00 Uhr schon im Polizeiposten, 18.00 Uhr Roßauer Lände. Vier Tage Einzelhaft, dann in die größere Zelle. Es war ein absoluter Horror für mich, dieses Weggesperrtsein. Nach 28 Tagen hat man mich gehen lassen, ein halbes Jahr später hab ich bei der Verhandlung eineinhalb Jahre bedingt bekommen.

STANDARD: Wie stark hatte sich die österreichische Gesellschaft verändert, als Sie 1997 zurückkamen?

Schützenhöfer: Ich hab amerikanisch gedacht: Ich hab 20.000 Dollar, damit kauf ich mir in Wien eine hinnige Tankstelle, und da leb ich dann und male. Aber das war undenkbar, ich musste auf die Provinz ausweichen. In der Steiermark war ich erst einmal überwältigt von dem vielen Grün. Wenn man von Virginia, wo das Grün sehr müde und verbrannt ist, hierherkommt in dieses saftige Österreich, das überwältigt einen und macht einen ein bissl blind.

STANDARD: Inwiefern?

Schützenhöfer: Ich bin gern in einen Buschenschank gegangen, ich hab mir gedacht, das ist alles so toll, da kann man den Wein trinken im Grünen, und der Schubert singt so schöne Lieder: "Grün, du böse Farbe du." Und ich denk: Warum singt der 'böse Farbe'? Und dann war das Grün weg im Herbst, und es war nur noch Braun. Und dann beginnen halt die Probleme.

STANDARD: Das Klima, das Sie zum Auswandern veranlasste, hatte Sie wieder eingeholt?

Schützenhöfer: Es ist eine sehr verschlossene, "very tight society". Es ist sehr schwer reinzukommen. Und ich weiß noch immer nicht, ob ich schon drin bin.

STANDARD: Ist das ein Problem kreativer Querköpfe, wie Sie einer sind? Oder machen es die Österreicher Neuankömmlingen generell nicht ganz leicht, sich einzugliedern?

Schützenhöfer: Es ist auf jeden Fall ein generelles Problem. Meine Frau hat in York County das Palliativpflegeteam geleitet, hat gut verdient. Wir dachten: Österreich ist in diesem Bereich ja ein bisserl hinten nach, da gibt es viel zu tun. Aber die Reaktion war: Na Moment! Erst einmal fünf Jahre lang Hygienevorschriften nachholen! Fünf Jahre ohne Arbeitsgenehmigung. Nach der Nostrifikation hat sie nur deshalb einen Job bekommen, weil mich der Bezirkshauptmann irgendwie gemocht hat. Das zeigt, wie schwierig es ist, auch wenn man eine gewisse Bildung hat. Man muss in Österreich viele Fürsprecher haben. Die Neuankommenden aus Syrien und Afghanistan haben es da noch viel schwieriger. Dagegen ist das, was wir erlebt haben, ein Klacks.

STANDARD: Sie haben sich nicht gerade eingeschmeichelt: Sie drängten darauf, dem Kriegerdenkmal in Pöllau ein Mahnmal für 21 getötete US-Soldaten gegenüberzustellen. Warum war Ihnen das wichtig?

Schützenhöfer: Wenn wir schon einen Namenkult betreiben, sollte man die Geschichte schon ganz erzählen. Mein erster Vorschlag war ein Fresko für russische Befreier – aber da haben sie dann überhaupt nur noch von Vergewaltigungen gesprochen, also musste ich das fallenlassen. Dann wollte ich ein Fresko für die amerikanischen Flieger. Da hieß es: Wir wollen die Feinde der Väter nicht verherrlichen. So ging das immer weiter, jahrelang. Wir haben zwar kein Kontrastdenkmal bekommen, aber der große Erfolg war, dass die Geschichte jetzt allgemein bekannt ist. Das ist einmal wichtig, weil auf dem Land ja alles schlummert.

STANDARD: Sind diese Widerstände eine Generationenfrage – ebbt das ab, wenn Jüngere nachkommen?

Schützenhöfer: Ich glaube es nicht. Wir haben einen 40-jährigen Bürgermeister, der alles versucht, damit eine Hinweistafel für den Nazibürgermeister im Eingangsbereich zur Gemeinde beibehalten wird. Ich muss an dieser Tafel für einen Bürgermeister, der sich gegen dieses demokratische System gestellt hat, vorbei, wenn ich wählen gehe. Viele Menschen haben mehrmals gefordert, dass das entfernt oder entschärft wird – erfolglos. Da werde ich zornig, da muss man ja irgendwie Luft ablassen, und ich lass es halt hinüber zur Kunst. Sonst wird man ja rabiat.

STANDARD: Sie haben Arbeiter in Fabriken porträtiert. Was fasziniert Sie daran, Arbeiter zu zeigen?

Schützenhöfer: Mein Vater war Arbeiter. Ich bin ins Steyr -Daimler-Puch-Werk gegangen, habe mit den Gabelstaplerfahrern gesprochen, was sie so verdienen und was sie machen, um diese Familienidylle aufrechtzuerhalten. Das ist mir lieber als ein transzendentes Gespräch in einer Galerie – auch eine schöne akademische Übung, aber da schlafen mir immer die Füße ein.

STANDARD: Was haben Sie in den Werkhallen gelernt?

Schützenhöfer: Die Pinzgauer-Produktion war interessant, da hat der Arbeiter selbst den Takt der Arbeit angegeben und sich Pausen eingeteilt: Jetzt gemma da ein bisserl rauchen, dann hamma ein Bier um elf Uhr. Freiheiten, die heute absolut undenkbar sind, man kann das Förderband gar nicht mehr verlassen. Man ist nur noch Handlanger.

STANDARD: Viele Arbeiter wählen heute die FPÖ. Warum?

Schützenhöfer: Ich war bei Triumph, einem Betrieb in Hartberg, der aufgelöst wurde. Wenn man die Leute alleinlässt, werden sie ängstlich und wenden sich hin zu den Worthülsen der Freiheitlichen. Aber wenn man sie darüber informiert, was ihnen zusteht, wenn man ihnen Möglichkeit zur Kommunikation gibt, dann sind sie nicht so ängstlich. Da wird viel verabsäumt. Auch die Kunst kümmert sich zu wenig um diese Bereiche. Sie ist zu sehr beschäftigt mit Messen, Vernissagen, dem Aufsagen der neuesten Namen in der Kunstszene.

STANDARD: Warum dieser Anspruch, dass Künstler politisch sein sollen?

Schützenhöfer: Man studiert auf Kosten des Staates und steht in der Schuld der Steuerzahler. Diese Steuerzahler sind auch bei Steyr Daimler Puch. Also sollte man sich hin und wieder hinbegeben und kommunizieren und auch ein Beispiel geben: dass es nicht unbedingt ein Glücksgefühl ist, eine neue ausklappbare Wäsche-Aufhängvorrichtung zu haben, sondern auch ein Buch zu lesen, über eine Farbe nachzudenken.

STANDARD: Wie viele Arbeiter konnten Sie überzeugen, über Farben nachzudenken?

Schützenhöfer: Na ja, bis zur Farbe habe ich sie nicht gebracht. Aber ich habe auch das Produkt ihrer Arbeit gemalt, diese Stücke, an denen sie sich blutigschrauben – und das verstehen sie sehr gut. Sie haben immer geschaut, was ich gemalt habe. Dann haben sie gesagt: Da musst du noch nachbessern, dort braucht der Reifen mehr Luft, das sind nur 2,5 Bar, der braucht aber vier Bar. Da hab ich was gewonnen. Weil in die Galerie wären sie wahrscheinlich nicht gekommen. (Maria Sterkl, 21.3.2016)