Frankreichs Präsident François Hollande (Mi.) berät sich mit Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian (li.) und Ministerpräsident Manuel Valls (re.).

Mitarbeiter des Roten Kreuzes bei einer Notfallübung am 17. März: im südfranzösischen Fußballstadion von Nîmes, wo im Rahmen der Fußball-EM gespielt werden wird. Die Helfer bereiten sich seit Wochen sogar für das Szenario eines Angriffs mit ABC-Waffen vor.

Foto: der Standard / SYLVAIN THOMAS

Es waren nur noch Details, die nicht klappten. Eine Entgiftungsdusche klemmte zuerst, und einzelnen Helfern lief die Gasmaskenscheibe innen an. Doch genau wegen solcher Problemchen wurde die Notfallübung im Stadion der südfranzösischen Stadt Nîmes ja veranstaltet.

Die Aufgabe: Ein Terrorist zündet auf der Tribüne eine Bombe, die auch chemische Dämpfe freisetzt. 1200 Polizeischüler, die ausgelassene Fußballfans mimten, sowie echte Gendarmen, Helfer und Ärzte versuchten die Bedrohungslage so real wie möglich nachzustellen. Dasselbe geschieht auch bei 74 weiteren Notfallübungen für die Fußball-EM vom 10. Juni bis 10. Juli in Frankreich.

In zehn Stadien – von Marseille bis Lille, von Bordeaux bis Lyon, von Paris bis Nizza – finden insgesamt 51 Spiele statt. 2,5 Millionen Plätze wurden angeboten, die meisten sind verkauft. Dazu kommen Fanmeilen, die sieben Millionen Besucher anziehen dürften – gesamt fast zehn Millionen Gäste. Nach den Brüsseler Anschlägen fragen sich viele, ob sie dem Fußballfest noch beiwohnen wollen.

Angst in der Fanmeile

In Paris denkt man wieder an das Spiel Frankreich – Deutschland vom 13. November 2015 – des Tages, an dem die Terroranschläge mit 130 Toten stattfanden. Das Publikum reagierte damals besonnen. Doch was, wenn ein Anschlag im Stadion stattfindet? Oder in der Fanmeile?

Die Organisatoren reden nicht gerne darüber. Vorbeugungsmaßnahmen müssen sie trotzdem ersinnen. Sogar eine Absage der EM wird diskutiert. Für Frankreich kommt das derzeit aber nicht infrage. "Das wäre eine Niederlage, ein Sieg für die Terroristen", erklärte Ministerpräsident Manuel Valls am Mittwoch.

Realistischer sind andere Schritte, auch wenn es die bei solchen Meisterschaften nie gegeben hat: EM-Cheforganisator Jacques Lambert erklärt zwar, für ihn käme die Option, Spiele vor leeren Rängen stattfinden zu lassen, nicht in Betracht, doch Uefa-Vize Giancarlo Abete relativiert: Eine Geisterpartie sei denkbar.

Auf der Strecke bliebe wohl der Sportsgeist. "Wir sind entschlossen, den volksnahen und geselligen Charakter dieses Großereignisses zu bewahren", erklärte Ex-Premier Alain Juppé, der den Verband der zehn Austragungsorte leitet, Dienstag bei einem Sicherheitstreffen. "Die Herausforderung ist groß, die Bedrohung maximal, aber wir werden der Angst nie weichen." Die fast schon beschwörende Aussage hört sich wie das Programm der EM 2016 an.

Wie im Stadion

Noch unsicherer ist, ob die Fanmeilen mit bis zu 100.000 Stehplätzen zugelassen werden. Am Dienstag wurde dem Vernehmen nach beschlossen, alle Besucher abzutasten und wenn möglich sogar durch Metalldetektoren zu lotsen; Videokameras und Minensuchgeräte sollen das stadionähnliche Programm ergänzen. Der konservative Abgeordnete Eric Ciotti hält einen solchen Aufwand aber für unangemessen. Er will die Fanmeilen verbieten.

Sportminister Patrick Kanner ist dagegen: "Kein Sportereignis in Frankreich wurde jemals so stark geschützt wie die EM."

Die österreichische Nationalelf bleibt zuversichtlich: Am Dienstag wurde in Paris ein neues ÖFB-Buch mit dem Titel Frankreich, wir kommen! angekündigt.

Konsequenzen hingegen zog der belgische Fußballverband: Das zunächst abgesagte Länderspiel mit Portugal soll am Dienstag statt in Brüssel im portugiesischen Leiria angepfiffen werden. (Stefan Brändle aus Paris, 24.3.2016)