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Soldaten bei der Sicherheitskontrolle auf dem Brüsseler Flughafen Zaventem.

Foto: REUTERS/Francois Lenoir

Brüssel – Eine Woche nach den Anschlägen versucht Brüssel zur Normalität zurückzukehren. Der Flughafenbetreiber bereitete am Dienstag die Wiedereröffnung des Flughafens im Lauf der Woche vor. Sollte der Testlauf erfolgreich sein, könnte am Mittwoch ein Fünftel des Betriebs wieder anlaufen, sagte ein Sprecherin.

Suche nach Verdächtigem geht weiter

Vor einer Woche waren bei zwei Bombenexplosionen in der Abflughalle zahlreiche Menschen getötet und verletzt und das Gebäude schwer beschädigt worden. Zwei Attentäter sollen sich selbst in die Luft gesprengt haben. Nach einem mutmaßlichen dritten Täter, der als "Mann mit Hut" auf dem Bild einer Überwachungskamera zu sehen ist, wird gefahndet. Ein Verdächtiger wurde am Ostermontag wieder freigelassen.

Glaubwürdiges Alibi

Der freigelassene Faycal C. war von mehreren Medien als der "Mann mit dem Hut" bezeichnet worden. Nach Angaben seines Anwalts Olivier Martins hat er aber ein glaubwürdiges Alibi. Sein Mandant sei zu Hause gewesen. Das sei durch Telefonate belegbar, die C. per Handy geführt habe. Es gebe weder Fingerabdrücke noch DNA-Proben, die ihn mit dem Tatort in Verbindung brächten. Die Anklage wegen "terroristischen Mordes" bleibe zwar formell noch bestehen, aber wohl nicht mehr lange, sagte Martins. Während nach belgischem Recht ein Untersuchungsrichter einen Verdächtigen auf freien Fuß setzen kann, darf nur ein spezielles Gericht die Anklage aufheben.

Für die Ermittler war die Freilassung ein Rückschlag. Nach den Anschlägen, die neben dem Flughafen auch in einer U-Bahn im Stadtzentrum verübt wurden, hatten sie mehrere Verdächtige festgenommen. Auch europaweit wird gefahndet. Dabei fanden sich zwar immer mehr Hinweise auf eine Verbindung zwischen den Anschlägen in Brüssel und denen in Paris im November, nach wie vor ist aber unklar, wer der Hauptverdächtige ist.

"Ein echter Schock" für Belgien

Mindestens 35 Menschen wurden in Brüssel getötet, 96 liegen noch im Krankenhaus. Die radikalislamische IS-Miliz hat sich zu den Attentaten bekannt. Für Belgien seien die Taten "ein echter Schock" gewesen, sagte ein hochrangiger Regierungsvertreter. Belgien sei immer "eine sehr entspannte Gesellschaft" gewesen mit einem "gemächlichen, nichtamerikanischen Sicherheitsverständnis".

Genau dagegen richtet sich viel Kritik, seit klarwurde, dass Extremisten von Brüssel aus praktisch ungestört die Anschläge in Paris vorbereiten konnten. Die Diskussion über schärfere Sicherheitsmaßnahmen ist voll entfacht. Auf politischer Ebene werfen einander zugleich Vertreter der niederländischsprachigen Flamen und der französischsprachigen Wallonen vor, schuld an der Lage zu sein.

Normalisierung des Alltags

Gleichwohl streben die Behörden eine baldige Normalisierung des Alltags an. Bereits vor einigen Tagen wurden die Sicherheitswarnungen um eine Stufe von der höchsten zurückgenommen. Am Flughafen liefen Tests, die unter anderem Sicherheitsmaßnahmen, Brandschutz und die Gepäckabfertigung umfassten. Mittels einer Behelfskonstruktion soll der durch die Detonationen schwer beschädigte Terminalteil umgangen werden. Zunächst sollen nach Angaben der Koordinierungsstelle des Flughafens nur einige wenige Flüge der Lufthansa-Tochter und AUA-Schwestergesellschaft Brussels Airlines grünes Licht bekommen. Sobald die Kapazität hochgefahren werde, könnten auch andere Gesellschaften ihre Flugpläne einreichen.

Jihadistische Rekrutierungsversuche in Molenbeek

Im Brüsseler Stadtteil Molenbeek gibt es indes neue Probleme. Jihadisten werben dort nach den Anschlägen um Terrornachwuchs. Angaben des Kommunalpolitikers Jamal Ikazban zufolge wurden am Osterwochenende Propagandanachrichten mit eindeutigem Inhalt an junge Menschen in der als Islamistenhochburg bekannten Gemeinde verschickt. Ein Beispiel ist demnach eine SMS mit den Sätzen "Mein Bruder, warum folgst du uns nicht in den Kampf gegen die Westler? Triff die richtige Wahl in deinem Leben".

Ikazban forderte die Polizei auf, gegen solche Rekrutierungsversuche vorzugehen. "Unsere Jugendlichen sind angesichts solcher Raubtiere in Gefahr", schrieb er am Dienstag auf Twitter. Ob der Absender der Nachrichten zurückverfolgt werden kann, blieb zunächst unklar. Prepaid-Handys lassen sich zum Teil auch mit falschen Daten freischalten.

Der französische Radiosender Europa 1 berichtete über einen 15-Jährigen, der in einer Brüsseler Moschee wochenlang von einem IS-Anwerber geködert wurde. Nach einem Monat sei er so weit gewesen, nach Syrien zu gehen, sagte der junge Mann in einem Interview. Nach Angaben des Senders ist es nur der Wachsamkeit der Mutter zu verdanken, dass er nicht zum Jihadisten wurde. (APA, 29.3.2016)