Foto: Volkswagen
Foto: Mini
Foto: Porsche

Es gibt magische Daten. 1989 war so eines. Der Sowjetblock kracht zusammen, endlich ist die kommunistische Bedrohung vorbei, Francis Fukuyama, Trompeter des "homogenen Weltstaats", lanciert seine These vom Ende der Geschichte, Hegel und die Folgen, ab jetzt wird alles paradiesisch, ihr werdet schon sehen. Nun, wir sehen – und blenden diesen Teil der heutigen Realität am besten gleich wieder aus. Denn im selben Universum erblickte 1989 der Mazda MX-5 das Licht der Welt. Zu der Zeit gab es an automobilen Kategorien: Limousine. Kombi. Kleinbus. Fertig. Gut, ein paar Geländewagen vielleicht noch und elitäres offenes (Super-)Sportgerät, aber für die Masse lautete die Ansage ganz klar: Zugang zum Himmel verschlossen.

Der aktuelle Mazda MX-5.
Foto: Mazda

Da hinein fuhr der MX-5, und die Leute waren hin und weg. Ein Auto, das aussah wie ein geklonter englischer Roadster, der aber nicht aufgrund technischer Mängel gleich nach der ersten Ausfahrt auseinanderfiel, ganz im Gegenteil, etliche dieser Mazdas aus erster Generation laufen heute noch. Und das Wichtigste: Das Auto war leistbar, ist es übrigens bis heute, davon weiter unten mehr.

Brauchen oder wollen?

Der Mazda war ein echter Trendsetter. Plötzlich sprangen etliche andere Hersteller auf, denn der knackige japanische Roadster verkaufte sich wie die warmen Semmeln, und eine der Lehren des Kapitalismus lautet ja wohl, die Nachfrage bestimme das Angebot, auch wenn es bis 1989 oft andersrum ausgesehen hatte und man den Eindruck gewinnen konnte, die (speziell europäische) Autoindustrie diktiere der p. t. Klientel, was sie zu wünschen habe. Wer braucht schon einen Roadster, ein Cabrio? Die Antwort war eindeutig: brauchen nicht, haben wollen schon. Viele.

Demokratisierung

Ja, und da waren sie plötzlich, die BMW Z3 (1995), Porsche Boxster, Mercedes SLK (beide 1996). Letzterer entfachte den Trend-im-Trend der Festdachcabrios, der Coupé-Cabriolets, der auch für Otto Normalverbraucher erschwinglichen – speziell die Franzosen machen sich da verdient (unter "Demokratisieren" verstanden sie eben Leistbarkeit), mit Peugeot 206 CC (2000), 307 CC (2003), Renault Mégane CC (2003). Hinzu kamen Opel Astra Twin Top (2006), VW Eos (2006), Ford Focus CC (2007) etc. Damit besaßen nun viele ein Cabrio, die sich das nie zu träumen gewagt hätten – und das Straßenbild hatte seine Asphaltgeschwüre. Denn was sich beim Zweisitzer, dem Roadster, aufgrund der Proportionen stilistisch passabel verpacken lässt, endete beim mehrsitzigen Cabrio im ästhetischen Desaster. Nicht immer, aber immer öfter.

Der Dune als Käfer-Cabrio-Nachfolger.
Foto: Volkswagen

Damit sind wir im Jahr 2016. Betrachtet man die aktuellste Cabrio- und Roadster-Garnitur, so ist zweierlei zu bemerken: 1.) Das Angebot dünnt sich deutlich aus, mangels Nachfrage, sagen die betroffenen Hersteller, und da wird schon was dran sein. 2.) Die Zeit der CCs, der vorhin erwähnten Coupés mit versenkbarem Festdach, scheint bis auf wenige Roadster-Ausnahmen passé. Sowohl die Franzosen als auch VW, Opel, Ford, Volvo (C70), Mitsubishi (Colt CZC) und Nissan (Micra CC) haben ihre CCs in den Ruhestand geschickt und nicht vor, sie in nächster Zeit zu reaktivieren.

Traumwagen S-Klasse

Nein, der Trend geht eindeutig zum klassischen Textilverdeck. Stellt die Designer nicht vor unlösbare Aufgaben wie bei CC, sieht einfach gut aus – und die Dinger sind mittlerweile absolut ganzjahrestauglich, selbst wenn sich der Terminus "Fetzendach" bis heute hält. Motto: Der Sommer soll bleiben, der Winter kann aber auch kommen. Das gilt im Einstiegsbereich – Golf Cabrio zum Beispiel – ebenso wie in der Traumwagenliga – Mercedes S-Klasse Cabriolet etwa.

Der Abarth 124 Spider.
Foto: Abarth

Hier nun also die nach oben hin offenen Neuigkeiten für 2016, fein säuberlich nach Cabrios und Roadstern gegliedert. Cabrios: Mini Cabrio, VW Beetle Dune Cabrio, Range Rover Evoque Cabrio (siehe Bericht Seite 8), Porsche 911 Cabrio/Targa, Ford Mustang Cabrio, Mercedes C und S Cabriolet, Rolls-Royce Dawn. Roadster: Mazda MX-5 und die Italo-Ableger Fiat 124 Spider / Abarth 124 Spider, Porsche 718 Boxster, Jaguar F-Type SVR, Ferrari 488 Spider, Lamborghini Huracán LP 610-4 Spyder (sowie dessen im Herbst mit 540 PS startender Supersportbruder Audi R8 Spyder).

Mini Cabrio
Foto: Mini

Die Meldungen im Einzelnen: Mini Cabrio. Die Neuauflage des nicht ganz billigen (22.900 bis 36.650 €), aber kultigen offenen Kleinen kommt mit zwei Dieselmotoren (auch das so eine Entwicklung: Der einst in dieser Fahrzeugkategorie verpönte Selbstzünder ist heute vielfach eine Selbstverständlichkeit) und drei Benzinern daher, von 102 bis 192 PS reicht das Leistungsband. Das Verdeck öffnet innerhalb von 18 Sekunden, und was Guido G. dieser Tage beim ersten Kennenlernen besonders ansprach, war der Umstand, dass man gegen Aufpreis den Union Jack eingewoben bekommt.

VW Dune

Die deutsche Flagge wird man bei VW nicht finden (warum eigentlich nicht?), trendig will man mit dem Beetle Dune Cabrio dennoch sein, diesem Freizeitsportableger des Grundmodells. Etwas höhergelegt, breitere Spur, angedeuteter Unterbodenschutz, SUV-artiger Beplankungs-Chic, kommt er mit einem Benziner (105 PS) und zwei Dieseln (110, 150 PS) Ende Mai zu uns. Preise gibt's noch keine.

Porsche 718 Boxster
Foto: Porsche

Bei Porsche würfeln wir Cabrios und den Roadster zusammen, zumal ja auch im 911er in Sitzreihe zwei kaum wer wirklich Platz nehmen wird. Der Sportwagenhersteller mit dem phänomenal hohen Begehrlichkeitsbeiwert ersetzt bekanntlich die letzten verbliebenen Sauger durch Turbos. Beim 911er Carrera Cabriolet (370 PS; ab 131.182 €) und Carrera S Cabriolet (420 PS; ab 149.396 €) sowie beim 911 Targa 4 (370 PS; ab 141.483 €) und Targa 4S (420 PS; ab 159.217 €) ersetzt ein Dreiliter-Turbo den 3,4er-Sauger. Beim 718 Boxster (300 PS; ab 62.537 €) folgt dem bisherigen 6-Zylinder-Boxer ein 4-Zylinder-Turbo mit 2,0 Liter Hubraum, im 718 Boxster S (350 PS; ab 78.480 €) sind es 2,5 Liter. Auch für Ami-Fans ist heuer ein echtes Schmankerl dabei, nämlich: Ford Mustang Cabrio. Ein begeisternder Kracher mit wahlweise 2,3-Liter-Turbo (317 PS; ab 49.800 €) oder – the real thing! – 5,0-Liter-V8 (422 PS; ab 61.900 €).

Das C-Klasse Cabrio von Mercedes-Benz.
Foto: Daimler

Aus dem, was Mercedes, traditionsreicher Anbieter erlesener offener Konfektionsware, beim Genfer Salon soeben noch unter "Traumwagenkollektion" ins Rampenlicht gestellt hat, greifen wir die beiden echten Neuheiten heraus: C- und S-Klasse Cabriolet. Beide extrem elegant und selbstverständlich bis zur Textilverdeckkante vollgestopft mit Technik. Das bereits erhältliche S Cabriolet schlägt mit 165.850 € (S 500; 455 PS) sowie 238.390 € (AMG S 63 4matic; 585 PS) zu Buche, das C Cabriolet (ab 9. Juli) wird man wohl deutlich günstiger, aber auch nicht geschenkt kommen – vorläufiges Topmodell: AMG C 43 4matic (367 PS). Ganz oben beschließt dann der Rolls-Royce Dawn den offenen Reigen, auch preislich: 277.000 Euro netto kostet das erlesenste, teuerste Cabriolet der Saison. Traumschiff mit einem der größten (4,7 m²) und im geschlossenen Zustand leisesten Stoffverdecke überhaupt, elektrisch zu betätigenden Suicide-Doors und 571-PS-6,6-Liter-V12 mit 571 PS.

Kultgerät

In der zweisitzigen Abteilung haben wir es, wie eingangs angedeutet, mit der vierten Generation des längst selbst zum Kultgerät avancierten MX-5 zu tun. Der Mazda, mit rund einer Million Stück meistverkaufter Roadster aller Zeiten, ist zugleich der absatzrelevanteste Temporär-oben-ohne-Neuzugang des Jahres. Schärfer zugeschnitten, noch kompakter (10 cm kürzer) und um bis zu 100 kg leichter als bisher, soll er das MX-5-Feeling auf ein neues Niveau hieven. Die beiden Motoren leisten 130 und 160 PS, Preisskala: 26.090 bis 34.590 €. Die Entwicklungskosten für ein komplett neues Modell spart sich Fiats oberster Groscherlzähler (ja, das kann er – ein Car Guy soll er hingegen weniger sein) Sergio Marchionne und rechnet womöglich mit dem Abstrahleffekt: Fiat 124 Spider und Abarth 124 Spider heißen die beiden MX-5-Klone, wobei die Fiat-Version (ab Juli, ab 27.490 €) 140 PS aus einem 1,4-Liter-Turbo holt, die von Abarth 170 PS (ab Herbst, ab 42.000 €).

Lamborghini Huracán Spyder
Foto: Lamborghini

Bleiben noch drei offene Supersportler, deren Anspruch nicht primär in Richtung Massenabsatz zielt: Jaguar F-Type SVR, Ferrari 488 Spider, Lamborghini Huracán Spyder. Beim Jag handelt es sich um den ersten von der "Special Vehicle Operations" entwickelten Jaguar SVR, er ist der künftig stärkste und schnellste F-Type. Auf 575 PS bringt es der 5,0-Liter-V8-Kompressor, und das katapultiert ihn in 3,7 sec von null auf 100 km/h. Kostenpunkt der Textildach-Ausgabe: 185.300 €. Das toppt der Ferrari sowohl beim Preis (ab 292.797 €) als auch bei der motorischen Potenz: 670 PS leistet der 3,9-Liter-V8-Turbo, der den bisherigen 4,5-Liter-V8-Sauger (570 PS) ersetzt. Manche meinen – Kollege Michael V. zum Beispiel -, es gebe kein schöneres und aufregenderes Auto, um den Sommer offen zu begehen, und den Katapultstart erledigt der Italiener in exakt drei Sekunden. Angetrieben wird, wie beim Jaguar, hinten.

Garzie mille

Der Lambo hingegen setzt auf Allrad (hecklastig ausgelegt, versteht sich), Markenkenner leiten das vom Vierer am Ende der numerischen Kennung "Huracán LP 610-4 Spyder" ab, ebenso wie die Leistung, die mit 610 PS unterm Gegner aus Maranello bleibt, auch in der Sprintwertung liegt man näher am Jaguar: 3,4 sec für 0-100 km/h. In Sant'Agata Bolognese setzt man auf V10 und 5,2 Liter Hubraum, sowie, mille grazie, auf Sauger. Ist man einmal versehentlich zu flott unterwegs, weil man beim Plausch mit der charmanten Begleitung unachtsam das Gasfußerl einen Zehntelmillimeter zu weit nach unten gedrückt hat, keine Sorge: Mit seiner Stealth-Form ist der Huracán für Radar praktisch unsichtbar. Bei einem Preis von 285.900 € hat man schließlich schon genug Bares an die Finanz überwiesen. (Andreas Stockinger, 3.4.2016)