Einige Impfgegner haben es auf Wissenschafter abgesehen, die Aufklärung zum Thema Impfungen betreiben. Auf Facebook missbrauchen sie die Melden-Funktion, um Gegenstimmen verstummen zu lassen.

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Wer auf Facebook über Postings stolpert, die jemanden beleidigen oder bedrohen, verhetzend sind oder das geistige Eigentum einer Person verletzen, kann diese relativ einfach melden. Stellt das soziale Netzwerk einen Verstoß gegen seine Gemeinschaftsstandards fest, wird das entsprechende Posting entfernt und der Nutzer im schlimmsten Fall gesperrt. Die Kehrseite der Medaille: Die Melden-Funktion kann selbst zum Tool werden, um gegen Personen mit anderer Meinung vorzugehen. Auf Scienceblogs wird berichtet, wie Impfgegner es schaffen, Aktivisten und Wissenschafter zum Schweigen zu bringen.

Onlinepetition, Drohungen und Verleumdung

Laut dem Arzt und Universitätsprofessor David Gorski – alias Orac auf Scienceblogs – gehen einige Impfgegner mittlerweile so geschickt gegen Wissenschafter vor, dass diese sofort wieder gesperrt werden, sobald ihre vorhergehende Blockade aufgehoben ist. Neben Facebook wird zu verschiedenen Mitteln gegriffen, um Personen zu diskreditieren. Gorski berichtet von einer Frau, die besonders gegen die Psychologieprofessorin Allison Hagood Stimmung macht. Hagood ist Koautorin von "Your Baby's Best Shot: Why Vaccines Are Safe and Save Lives". Die Impfgegnerin hat demnach eine Onlinepetition gegen Hagood gestartet, ihre private Wohnadresse veröffentlicht, E-Mails an ihre Bekannten verschickt und ihr beleidigende Nachrichten und Drohungen geschickt. Auf der Website "Anti Vax Wall of Shame" (AVWoS) wird gegen Hagood, Gorski und andere Personen vorgegangen, die um wissenschaftliche Aufklärung bezüglich Impfungen bemüht sind.

In einem Fall hatte die Impfgegnerin ein Foto von Hagood mit Photoshop so verfremdet, um sie wie die böse Hexe aus "Zauberer von Oz" aussehen zu lassen, versehen mit dem Text "I’ll get you, my pretty, and your little dog too!". Hagood hatte das Foto gepostet, um zu zeigen, wie gegen sie Stimmung gemacht werde, und wurde selbst dafür gesperrt. Ein anderes Mal wurde Hagood mittels Photoshop als Hitler verfremdet – sie veröffentlichte das Foto wieder und wurde dafür ebenfalls für 30 Tage gesperrt.

Gorski hat mehrere Screenshots von Postings veröffentlicht, in denen die Impfgegnerin damit prahlt, wie erfolgreich sie gegen Hagood und andere Personen vorgeht. Auf AVWoS ist auch ein Screenshot eines Postings zu sehen, in dem ein weiterer Scienceblog-Autor die Verwendung rassistischer und homophober Wörter in einem Film kritisiert. Er wurde gemeldet und selbst dafür gesperrt. Gleichzeitig fällt die Impfgegnerin selbst mit antisemitischen Postings auf, in denen sie unter anderem den Holocaust leugnet.

Kritik an intransparenter Vorgehensweise

Schon öfter wurde kritisiert, dass Facebooks Praktiken zu intransparent sind. Oft ist nicht nachvollziehbar, wieso ein kritisches, aber vergleichsweise harmloses Posting gelöscht wird, mitunter rechtsradikale Inhalte beispielsweise aber online verbleiben. Wie oft ein Posting gemeldet wird, hat laut Facebook keinen Einfluss darauf, ob es gelöscht wird. Gorski vermutet, dass ein Posting eher gelöscht wird, wenn eine andere Person darin namentlich genannt wird. Ganz offensichtlich kann es Opfern von Hasspostings zum Verhängnis werden, wenn sie Beleidigungen gegen sie selbst zur Dokumentation veröffentlichen, da Facebook offenbar nicht erkennt, dass es sich hierbei um ein Zitat handelt.

Je nachdem, wie schwer der Verstoß gegen die Community-Richtlinien ist, können die Sanktionen variieren. Beim ersten Verstoß wird eher verwarnt, erklärt das Unternehmen auf seiner Website. Bei weiteren Verstößen könne dann das Recht des Nutzers, Beiträge zu posten, eingeschränkt werden – bis hin zur kompletten Sperre über einen längeren Zeitraum. Wer blockiert wurde, kann sich für diesen Zeitraum nicht auf Facebook einloggen. Auf der Website kann Einspruch dagegen eingelegt werden. Gorski kritisiert aber, dass eine Meldung dort kaum etwas bringe und es sehr schwierig sei, direkt mit Facebook-Mitarbeitern Kontakt aufzunehmen. (Birgit Riegler, 4.4.2016)