Van der Helsts Herrenporträt aus dem Kinsky-Angebot war einst ebenso in der Sammlung Schloss beheimatet ...

Foto: Im Kinsky

... wie das 1949 restituierte Frauenpendant.

Foto: ZIKG München

Wien – Darüber, wie viele Kunstgegenstände in der Zeit des Nationalsozialismus gestohlen oder als Inventar arisierter Wohnungen von Nachmietern einbehalten wurden, kann man nur spekulieren. Gesichert ist, dass sich viele in Privatbesitz erhalten haben.

Die Information, wem die Werke entzogen worden waren, mag anfänglich verschleiert worden sein, teilweise ging sie über Erbgänge und Besitzerwechsel auch verloren. Die Erforschung der Provenienz ist im Privatbereich kaum Thema, für Auktionshäuser seit einigen Jahren schon. Denn ohne Prüfung des Verbleibs in den fraglichen Jahren gilt etwa Höherwertiges international als kaum verkäuflich.

Finden sich im Zuge der Recherche vor der Katalogisierung Hinweise oder Belege für eine Entziehung, wird der meist ahnungslose Verkäufer informiert. Was dann passiert, liegt in seiner Entscheidung. Meist verschwindet das Objekt wieder in Privatbesitz. Das ist insofern legitim, als Private nicht zur Restitution gezwungen werden können.

Manche bemühen sich um Lösungen mit den Nachfahren jüdischer Sammler und einigen sich auf eine Versteigerung und Teilung des Erlöses, ein Kompromiss, der sich an den Washingtoner Principles orientiert. Aber was tun, wenn Erben auf einer Restitution bestehen?

Im Einverständnis mit einem Einbringer geht "im Kinsky" jetzt einen in der Branche bisher verpönten Weg: Am 12. April gelangt ein als Raubkunst identifiziertes Gemälde zur Auktion, um eine Einigung herbeizuführen. Ein bewusst initiierter Präzedenzfall, erklärt Ernst Ploil, in solchen Causen aktiver Rechtsanwalt und Kinsky-Teilhaber. Der rechtmäßige österreichische Besitzer sei ja willens, allein, die seit Mai 2015 laufenden Verhandlungen mit einem Rechtsvertreter der Erben scheiterten – vorerst.

Findet sich ein Bieter für das 1647 von Bartholomeus van der Helst gemalte Herrenporträt (Taxe 15.000 bis 30.000 Euro), wird der Zuschlag unter Vorbehalt erteilt. Der endgültige Besitztransfer setzt eine Einigung voraus. Die Eigentumsverhältnisse seien laut Ploil beispielhaft: Der Privatbesitzer erwarb das Gemälde "gutgläubig" im österreichischen Kunsthandel. Den Händler will das Auktionshaus nicht nennen, nur so viel, dieser habe es 2004 bei einem deutschen Kollegen erworben.

Neuerliche Beschlagnahme?

Fakt ist, das Bildnis war einst in der auf niederländische Malerei des 17. Jahrhunderts spezialisierten Sammlung von Adolphe Schloss beheimatet. Die 333 Gemälde umfassende Kollektion wurde im April 1943 bei seinen jüdischen Nachfahren beschlagnahmt: 49 Werke behielt der Louvre, 262 transportierte man nach Deutschland.

Sie waren für Hitlers Führermuseum bestimmt, wurden jedoch nie in den Bestand integriert. Stattdessen lagerten sie in München im Führerbau, der im April 1945 geplündert wurde. Etwa 650 Gemälde verschwanden damals, darunter fast alle der Sammlung Schloss. Wer sich an den Beständen bediente, ist bis heute unbekannt, jedoch Gegenstand eines Forschungsprojekts am Zentralinstitut für Kunstgeschichte in München.

Einige der Schloss-Werke fanden sich und wurden an die Erben restituiert, 164 gelten als verschollen und sind seit 2012 bei der Interpol gelistet. Darunter auch van der Helsts Herrenporträt, das nun theoretisch von österreichischen Behörden beschlagnahmt werden könnte. Denn praktisch haben die Erben in der Vergangenheit ihre Interessen hartnäckig verfolgt und durchgesetzt.

1990 ließ man bei einer Kunstmesse in Paris ein Gemälde bei einem amerikanischen Kunsthändler beschlagnahmen, das dieser 1989 bei Christie's in London ersteigert hatte. Das Strafverfahren wegen Hehlerei dauerte eine Dekade und endete 2001 mit der Verurteilung des Kunsthändlers zu acht Monaten Freiheits- und einer Geldstrafe. (Olga Kronsteiner, 4.4.2016)