Wien – Sie zählen mittlerweile zur Hauptkundschaft bei den AMS-Stellen. Menschen, die maximal einen Pflichtschulabschluss vorweisen können, sind immer häufiger von Arbeitslosigkeit betroffen. Im Vorjahr kletterte die Arbeitslosenquote bei dieser Gruppe auf 26 Prozent.

Die Perspektiven der Geringqualifizierten haben sich in den vergangenen Jahren dramatisch verschlechtert. Zur Orientierung: Im Jahr 1990 lag die Arbeitslosenquote von Menschen ohne weiterführende Ausbildung bei nur 9,5 Prozent, wie diese Grafik zeigt:

  • Einkommen: Das AMS Wien hat nun in einer umfassenden Studie zusammengetragen, welche Folgen mit dem schlechten Ausbildungsniveau verbunden sind. Zunächst einmal zeigt sich ein merklich spürbarer Unterschied in den Brieftaschen der Betroffenen. Österreichweit lag das Medianeinkommen (50 Prozent verdienen mehr, 50 Prozent weniger) im Jahr 2014 bei brutto 23.211 pro Jahr.

    Wer höchstens einen Pflichtschulabschluss hat, verdient im Schnitt um 17 Prozent oder 4.000 Euro weniger als der Median. Schon die Absolvierung einer Lehre führt zu einem Einkommensanstieg von fast 4.800 Euro, wie das folgende Chart zeigt:
  • Armutsgefährdung: Eine Folge davon: 16 Prozent der Menschen ohne spezifische Ausbildung gelten als "Working Poor", also als armutsgefährdet, obwohl sie einen Job haben. In der Gesamtbevölkerung trifft das nur auf sieben Prozent zu. Ein Vergleich über mehrere Jahre (2011 bis 2014) zeigt zudem: 22 Prozent jener, die maximal einen Pflichtschulabschluss haben, waren zumindest ein Jahr lang armutsgefährdet. 15 Prozent sogar in zumindest drei Jahren.
  • Gesundheit: Bildungsferne Personen haben aber auch wesentlich häufiger mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen. 20 Prozent leiden unter chronischen Krankheiten; in der Gesamtbevölkerung sind es nur neun Prozent. Unter Adipositas (Fettleibigkeit) leiden beispielsweise 23 Prozent der Männer und 29 Prozent der Frauen im Alter zwischen 60 und 74 Jahren mit maximal Pflichtschulabschluss. Bei den höher Gebildeten sind es nur zehn Prozent (Männer) beziehungsweise acht Prozent (Frauen).
  • Lebenserwartung: Der mangelhafte Umgang mit der eigenen Gesundheit führt auch zu einer niedrigeren Lebenserwartung. Ein 35-jähriger Mann, der auf einer Uni war, darf damit rechnen, noch 48 Jahre zu leben. Ein gleichaltriger Pflichtschulabsolvent hat hingegen nur mehr eine durchschnittliche Restlebenserwartung von 42 Jahren. Bei Frauen, die generell eine höhere Lebenserwartung haben, sind die Unterschiede nicht ganz so groß (50 zu 48 Jahren Restlebenserwartung).

Häftlinge nur mit Pflichtschulabschluss

Aber auch ungewohnte Facetten beleuchtet die Studie: So hatten beispielsweise laut einer Erhebung des Justizministeriums drei Viertel der Gefängnisinsassen in Österreich nur Pflichtschulabschluss (die Datenlage wird hier aber insgesamt als lückenhaft bezeichnet).

In Sachen Beteiligung an der Demokratie wird auf eine deutsche Studie verwiesen, die aber auch auf Österreich umlegbar sei. Demnach haben nur knapp 58 Prozent der jungen Deutschen zwischen 18 und 34 Jahren vom Wahlrecht Gebrauch gemacht, wenn sie keinen beruflichen Abschluss hatten (bei Hochschulabsolventen sind es 88 Prozent).

Bei jenen, die nur einen Pflichtschulabschluss vorweisen können, sind die Jobperspektiven schlecht. 26 Prozent waren 2015 arbeitslos.
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Ausbildungsabbrecher

So weit die überregionalen Erkenntnisse. Interessant ist aber auch eine Bezirksauswertung des Instituts für Höhere Studien. Dabei wurde verglichen, wie hoch die Zahl jener ist, die entweder ihre Schulkarriere nach der Pflichtschule beendet oder eine Lehre abgebrochen haben.

Mit Abstand die höchsten Abbruchquoten gibt es in Wien. Auf den ersten acht Plätzen im Negativranking liegen Wiener Bezirke. Die höchste Quote gibt es in Brigittenau, dem 20. Gemeindebezirk. Dort sind 25,9 Prozent der Jugendlichen im Alter zwischen 15 und 24 Jahren Ausbildungsabbrecher. Die Liste sämtlicher Bezirke finden Sie hier:

Höhere Quote bei Zuwanderern

Deutlich höhere Abbrecherquoten gibt es bei Zuwanderern der ersten Generation (knapp mehr als 30 Prozent). Bei in Österreich geborenen Jugendlichen liegt sie bei knapp unter zehn Prozent. Die Unterschiede sind in ganz Österreich feststellbar, am geringsten ist die Kluft aber in Kärnten und im Burgenland.

Als mögliche Erklärung für die enormen Unterschiede zwischen den Bezirken führt AMS-Studienautorin Doris Landauer das schulische Angebot an. In der Brigittenau kommt auf 85.000 Einwohner nur eine höhere Schule, in der Josefstadt, dem Bezirk mit dem besten Wiener Wert, eine höhere Schule auf 8000 Einwohner. (Günther Oswald, 6.4.2016)